AfD wird in Marzahn-Hellersdorf stärkste Kraft

Rechtsradikaler holt AfD-Direktmandat in Lichtenberg / Antifaschisten protestieren vor Veranstaltung der Rechtsaußen

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Berlin. Die Rechtsaußen-Partei AfD holt in Berlin Direktmandate in östlichen Bezirken – und schickt so einen bekannten Rechtsradikalen ins Landesparlament. Im Wahlkreis Lichtenberg 1: Dort setzte sich der AfD-Kandidat Kay Nerstheimer knapp 26 Prozent gegen die LINKEN-Politikerin Ines Schmidt durch. Nerstheimer ist politisch kein Unbekannter: Laut des Antifaschistischen Pressearchivs Apabiz soll Nerstheimer im Jahr 2012 auf Facebook als Berliner Devisions-Leader der rechtsradikalen und islamfeindlichen »German Defence League« aufgetreten sein. Er soll angekündigt haben, die Organisation zur Miliz auszubauen.

Weitere Direktmandate gingen in den Wahlkreisen Marzahn-Hellersdorf 1 und 3 an die Kandidaten Gunnar Lindemann und Jessica Bießmann - sie holten 30,6 beziehungsweise 29,8 Prozent der Erststimmen. Im Wahlkreis Pankow 1 war AfD-Kandidat Christian Buchholz mit 22,4 Prozent der Erststimmen erfolgreich. In Treptow-Köpenick 3 gewann Frank Scholtysek das Direktmandat.

Obwohl die Rechtsaußen-Partei mit 14,2 Prozent hinter einigen Vorwahlumfragen zurückblieb, schafften sie doch locker den Einzug ins zehnte Landesparlament. Im östlichen Berliner Bezirk Marzahn-Hellersdorf ist die AfD sogar die stärkste Partei nach Zweitstimmen geworden. Die Rechtspopulisten schlugen in dem von Plattenbauten geprägten Bezirk im Osten der Stadt mit 23,6 Prozent hauchdünn die Linke mit 23,5 Prozent. 2011 hatte dort noch die SPD mit 28,2 Prozent vor der Linken mit 27,4 Prozent gesiegt. In diesem Jahr erzielte die SPD dort nur 17,0 Prozent.

Ihr Abschneiden feierten die Parteimitglieder lautstark. Draußen vor dem Treffen der AfDler waren einige Dutzend Antifaschisten zusammengekommen, sie protestierten vor der Polizeiabsperrung mit Transparenten und Schmähgesängen: »Nationalistenpack« und »AfD in die Spree«. »Geht doch nach Syrien«, antwortet ein AfD-Mann zurück.

Drinnen im Ratskeller des alten Rathauses von Charlottenburg trat AfD-Spitzenkandidat Georg Pazderski kurz nach Veröffentlichung der ersten Zahlen vor die Berliner Parteimitglieder und drohte bereits mit weiteren Erfolgen: »Die Absage an die Große Koalition ist eindeutig, wenn auch noch nicht auf nationaler Ebene - aber das kommt noch.« Den jubelnden Anhängern seiner Partei rief er zu: »Wir schaffen das!« Die vielzitierte Parole von CDU-Bundeskanzlerin Angela Merkel zur Flüchtlingskrise.

In ganz Berlin war die Rechtsaußen-Partei nicht ganz so erfolgreich. Doch auch wenn es nur für den fünften Platz gereicht hat: Die AfD erklärte sich zum eigentlichen Gewinner dieser Wahl. »Man kann jetzt nicht überall die CDU überholen«, sagt Beatrix von Storch, die den Berliner Landesverband gemeinsam mit dem Spitzenkandidaten Georg Pazderski leitet. Die Rechtsaußen sind erfolgsverwöhnt. Schließlich war es ihnen zwei Wochen zuvor gelungen, in Mecklenburg-Vorpommern aus dem Stand auf den zweiten Platz vorzustoßen.

»Wir müssen unser Land, unsere Heimat, davor bewahren, noch weiter ausgemerkelt zu werden«, sagt AfD-Chef Jörg Meuthen. Diejenigen AfD-ler, die zuhören, lachen und klatschen. Der Rest plaudert hinten im Saal weiter. Dabei gibt sich Meuthen, der ja eigentlich als »Wirtschaftsliberaler« in die Parteispitze gewählt worden war, an diesem Abend alle Mühe, auch diejenigen anzusprechen, die aus Burschenschaften und rechtsradikalen Netzwerken zur AfD gekommen sind. Mit Blick auf die Bundestagswahl im kommenden Jahr, sagt er, nur die AfD könne dafür sorgen, dass die Deutschen ihr Land auch in Zukunft »noch wiedererkennen«.

Zudem kann sich die AfD rechnerisch gute Hoffnungen auf mehrere Stadtratsposten in einigen Bezirken machen. In Treptow-Köpenick belegte die AfD am Sonntagabend bei der Wahl zur Bezirksverordnetenversammlung (BVV) zwischenzeitlich mit rund 20 Prozent den dritten Platz. Ausgezählt waren da 121 von 150 Wahlbezirken. Die AfD lag damit nur knapp hinter SPD und Linken.

In Marzahn-Hellersdorf lag die AfD mit rund 23 Prozent auf dem zweiten Platz hinter den Linken. Ausgezählt waren 75 von 182 Wahlbezirken. In Lichtenberg war die AfD auf dem dritten Platz, nachdem 207 von 233 Wahlbezirken ausgezählt waren. Auch in Spandau und Reinickendorf im Westteil der Hauptstadt lag die AfD bei der BVV-Wahl zwischenzeitlich auf dem dritten Platz.

Die vier Stadtratsposten pro Bezirk, die unterhalb der Bezirksbürgermeister angesiedelt sind, werden nicht über politische Koalitionen vergeben, sondern nach einem Berechnungssystem, das die zwei, drei oder vier Parteien mit den meisten Wählerstimmen berücksichtigt. Meist erhält die drittstärkste Partei noch einen der Posten. Allerdings gab es in den anderen Parteien Überlegungen, mögliche AfD-Kandidaten nicht zu wählen. Agenturen/nd

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