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Sellering zum Dritten

Landtagsmehrheit wählt den alten Ministerpräsidenten zum neuen

  • Hagen Jung
  • Lesedauer: 3 Min.

Hat jemand aus CDU oder SPD dem alten und nun neuen Regierungschef die Gefolgschaft verweigert? Die Frage darf gestellt werden, besteht doch die rot-schwarze Koalition aus 42 Parlamentariern, aber nur 41 Abgeordnete - von welcher Fraktion auch immer - gaben Erwin Sellering ihr Jawort. Vielleicht hat er sich ja aus Bescheidenheit selbst enthalten? Alles nur Spekulationen, gewiss.

Fakt ist allein: Erwin Sellering, am Dienstag während der Plenarsitzung im Schweriner Staatstheater vereidigt, ist nun bereits in der dritten Legislaturperiode Regierungschef im Nordosten. Begonnen hatte der aus Nordrhein-Westfalen stammende Jurist seine politische Laufbahn 1994 mit dem Umzug von Gelsenkirchen nach Mecklenburg-Vorpommern.

In jenem Jahr, in dem er zum vorsitzenden Richter am Verwaltungsgericht Greifswald ernannt wurde, schloss er sich der SPD an, zwei Jahre später agierte er in deren Landesvorstand. Nach Schwerin kam Sellering 1998, arbeitete dort als Abteilungsleiter in der Staatskanzlei, bis ihn der seinerzeit amtierende Ministerpräsident Harald Ringstorff (SPD) im Jahr 2000 als Justizminister ins Landeskabinett holte.

In den Landtag wurde Erwin Sellering erstmals 2002 gewählt. Vom Justizressort auf den Sessel des Sozialministers wechselte er 2006. Zwei Jahre darauf hieß es für ihn: zurück in die Staatskanzlei, nun als Ministerpräsident. Regierungschef Ringstorff, damals 68-jährig, war im Herbst 2008 zurückgetreten, aus Altersgründen, wie er sagte.

Mit acht Ministerinnen und Ministern, die ebenfalls am Dienstag im Plenum vereidigt wurden, wird Sellering künftig zusammenarbeiten. Neben den bekannten sind zwei neue Gesichter darunter: Justizministerin Katy Hoffmeister, von der CDU kurzfristig aufgeboten, nachdem die Partei den ursprünglich für die Position vorgesehenen Staatsanwalt Sascha Ott wegen dessen Sympathiebekenntnisses für AfD-Aussagen zurückgezogen hatte. Die zweite Neue ist Sozialministerin Stefanie Drese. Die Rechtsanwältin war bislang stellvertretende Vorsitzende der SPD-Fraktion.

Alle Fraktionen waren sich in der nicht einmal zwei Stunden dauernden Sitzung einig, dass es nach wie vor neun Fachausschüsse des Landtags gibt. Viele Abgeordnete werden sich vermutlich noch mit Grausen daran erinnern, wie die NPD jenen Tagesordnungspunkt vor fünf Jahren zu Beginn der sechsten Legislaturperiode zur Plattform für einen Schwall an Polemik nutzte und die Sitzung quälend in die Länge zog. Überflüssig seien die meisten Ausschüsse, hieß es damals aus den Reihen der Nazipartei, Abgeordnete würden diese Gremien zum »Herumlungern im Landtag« missbrauchen, und: Der »politische Unfug« der demokratischen Fraktionen werde »irgendwann in Deutschland vom Erdboden verschwunden« sein.

Verschwunden vom parlamentarischen Boden im Nordosten ist die NPD. Von der rechten Seite im Parlament, der AfD, drosch deren Fraktionschef Leif-Erik Holm in vertraut populistischer Manier auf entstehende Kosten durch die Jobvergabe in der Landesregierung ein. Er traf damit ein Thema, das durchaus für Unmut bei vielen Bürgerinnen und Bürgern sorgt: die von der SPD/CDU-Regierung beschlossene Erweiterung der Landes-Lohnliste um gut bezahlte Posten.

Neben dem schon jetzt als »Kümmerer« titulierten erstmals eingesetzten Staatssekretär Patrick Dahlemann für Vorpommern gibt es einen weiteren Staatssekretär für das Bildungsressort. Und auch die neu erdachten Positionen »Integrationsbeauftragte« und »Gesundheitsbeauftragter« zeugen nicht von Sparsamkeitsbemühungen im ärmsten Flächenland der Bundesrepublik. Wählerinnen und Wähler, denen Gerichts- und andere Reformen zugemutet werden, könnte eine solche Personalpolitik zu Überlegungen verführen, über die sich Holm & Co die Hände reiben.

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