Die FIFA und ihre Baustellen

In Zürich wurde Klage gegen die FIFA eingereicht, ihr Präsident bastelt an der 48er-WM

Während der FIFA-Präsident Gianni Infantino in Singapur weilte, ging am Donnerstag beim Handelsgericht Zürich eine bereits seit Wochen angekündigte Klage gegen den Fußballweltverband ein: Der holländische Gewerkschaftsbund Federatie Nederlandse Vakbeweging (FNV), die bangladeschischen Gewerkschaften BFTUC und BBWWF sowie der Bangladescher Nadim Alam klagen auf 150 Seiten gegen die Fédération Internationale de Football Association (FIFA) wegen der Vergabe der Fußball-WM 2022 an das Wüstenemirat Katar.

Nach Ansicht der Kläger trägt die in Zürich residierende FIFA durch die Vergabe der WM eine Mitverantwortung an dem Leid, das die Wanderarbeiter wegen der menschenunwürdigen Arbeitsbedingungen auf den WM-Baustellen in Katar erfahren. Die FIFA habe bei ihrem Zuschlag für Katar bereits über das inhumane Kafalasystem Bescheid gewusst und damit eine »Persönlichkeitsverletzung« von Wanderarbeitern wie Kläger Nadim Alam in Kauf genommen. Durch das Kafalasystem ist es 1,7 Millionen Wanderarbeitern aus Indien, Pakistan, Nepal, Sri Lanka oder Bangladesch beispielsweise untersagt, vor Katars Gerichten zu klagen, auch ihre Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit stark einschränkt.

»Wir haben die Klage heute eingereicht« sagte der Züricher Rechtsanwalt David Husmann am Donnerstag gegenüber »nd«. Husmann vertritt die vier Kläger gemeinsam mit der niederländischen Menschenrechtsanwältin Liesbeth Zegveld: »Es geht hier um Grundsätzliches, nämlich die Frage der internationalen Verantwortung. Kann es einem Schweizer Unternehmen gleich sein, was im Zusammenhang mit seiner Geschäftstätigkeit in einem anderen Land veranstaltet wird? Wir meinen nein. Muss sich ein Schweizer Unternehmen, das nach außen verlautbart, Menschenrechte einzuhalten, darauf behaften lassen? Wir meinen ja.«

Dass die Klage vor dem Handelsgericht in Zürich eingereicht wird, liegt laut Husmann in der Tatsache begründet, dass die mitklagende holländische Großgewerkschaft FNV wie ein Unternehmen zu betrachten sei. Die FNV wiederum hat den Bangladescher Nadim Amal zu ihrem internationalen Mitglied erklärt und sich seines Falles angenommen. Die beiden Gewerkschaften aus Bangladesch sind erst seit neuestem an der Klage gegen die FIFA beteiligt.

Wanderarbeiter Nadim Alam hatte 2014 an eine Vermittlungsagentur in Bangladesch umgerechnet 4400 Dollar für seine Anstellung in Katar bezahlt. Dort angekommen, hatte ihm sein Arbeitgeber, der Bauriese HBK Company, den Pass abgenommen - wie es Katars Kafalasystem vorsieht. Als HBK dem heute 32-Jährigen schon nach wenigen Monaten kündigte, bekam Alam seinen Pass erst Monate später wieder ausgehändigt - er hatte keine Chance, sich eine andere Stelle zu suchen. Für die Vermittlungsgebühr, die HBK bezahlen wollte, hatte Alam Land beliehen und konnte das Darlehen nach seiner Rückkehr nicht bedienen, da HBK nur 400 Dollar übernahm. Der Bangladescher fordert jetzt 4000 Dollar Schadenersatz von der FIFA. Das Handelsgericht wird nun die Klage der FIFA zustellen, ehe beide Seiten erstmals zur Beratung vor die Kammer geladen werden.

FIFA-Präsident Gianni Infantino, schaut derweil schon auf die WM-Endrunde 2026, die die erste sein wird, bei deren Vergabe der suspendierte Ex-FIFA-Boss Sepp Blatter keine Rolle spielt. In Singapur stellte Infantino bei einem Meeting mit Nationalverbänden Asiens, Europas und Ozeaniens seine Ideen für das Turnier 2026 vor: Er favorisiert eine Endrunde mit 48 Mannschaften, bei der anfangs in 16 Dreiergruppen gespielt wird, aus denen jeweils zwei Nationalteams weiterkommen. Danach würde das Turnier bis zum Endspiel im K.o.-Modus ausgetragen werden.

Gegenüber dem bisherigen Modus mit 32 Mannschaften, nach dem seit 1998 gespielt wird, ergibt sich eine Steigerung um 16 auf dann 80 Partien, sollte auch das ungeliebte Spiel um Platz drei erhalten bleiben. »Die große, große, große Mehrheit neigt zu den 48 Teams mit den 16 Dreiergruppen«, sagte Infantino nach einem Bericht der Deutschen Presseagentur »dpa« in Singapur. Aber auch seine früheren Ideen von einem Turnier mit 40 Mannschaften seien noch nicht vom Tisch, so Infantino. Er präsentierte fünf Modelle für 2026, zwei mit 48, zwei mit 40 und eines mit 32 Endrundenteilnehmern.

Infantino kann sich auch vorstellen, das Turnier in drei Ländern auszutragen: »Wenn ein Land zwölf Stadien mit mehr als 50 000 Zuschauern braucht, aber nur vier hat - warum sollten wir nicht die Kräfte von drei Ländern vereinen? Jedes stellt vier Stadien und man hat zwölf Arenen zusammen.« Die Entscheidung über eine Aufstockung der WM-Teilnehmerzahl soll beim nächsten FIFA-Council-Meeting im Januar fallen.

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