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Was kostet ein »Kulturhauptstadt«-Titel?

Im fränkischen Nürnberg wird über eine Bewerbung bei der Europäischen Union für 2025 gestritten

  • Diana Lauer, Nürnberg
  • Lesedauer: 4 Min.

Nürnbergs Oberbürgermeister Ulrich Maly (SPD) erwartet am Mittwoch keine große Überraschung: Der Stadtrat entscheidet dann über die Bewerbung um den Titel »Kulturhauptstadt Europas 2025«. »Die Mehrheit für die Bewerbung wird riesengroß sein«, ist sich Maly sicher. Doch friedliche Weihnachtsstimmung herrscht unter den 70 Mitgliedern des Stadtrats trotzdem nicht. Die Linke Liste und die Ökologisch-Demokratische Partei (ÖDP) wollen sich gegen die Bewerbung aussprechen, die Freien Wähler gar ein Bürgerbegehren starten. Auch Michael Bengl von der Piratenpartei und FDP-Stadträtin Christiane Alberternst haben ihre Ablehnung signalisiert.

Doch warum ist der Stadtrat so gespalten, obwohl das Kulturreferat um Julia Lehner (CSU) seit Monaten für die »Kulturhauptstadt Nürnberg« wirbt? Titus Schüller (Linke Liste): »Wir sagen Nein zu teuren Titeln.« Es gehe hier nur um Prestige. Allein das Bewerbungsverfahren bis zum Jahr 2019 würde fünf Millionen Euro kosten - Geld, das die Stadt allein aufbringen müsste. Die Linke hält es für sinnvoller, dieses Geld direkt in kulturelle Einrichtungen zu investieren - etwa in die Stadtbibliothek: »Die muss wieder ihre Jahresgebühren einführen, weil nicht genug Geld da ist.«

Auch für die ÖDP ist das Geld der Knackpunkt: Stadtrat Thomas Schrollinger findet es »heikel«, allein für die Bewerbung fünf Millionen auszugeben, während die Stadt fast 1,9 Milliarden Euro Schulden habe. Sein Parteifreund Jan Gehrke geht noch einen Schritt weiter: »Wenn die Bewerbung Erfolg hätte, müssten wir es auch durchziehen.« Doch wie viel das dann kosten würde, lasse das Kulturreferat offen. Es sei finanzpolitisch nicht seriös, die Folgekosten zu unterschlagen, so Gehrke.

Der Vorsitzende der Freien Wähler, Jürgen Dörfler, sprach in der »Süddeutschen Zeitung« zuletzt von einem »Schildbürgerstreich« und bezog sich dabei ebenfalls auf die hohe Verschuldung der Stadt. Für ein Bürgerbegehren wären 12 000 Unterschriften nötig, die nach der Abstimmung bis 2018 gesammelt werden sollen. Die ÖDP denkt darüber nach, ein solches Bürgerbegehren zu unterstützen. Auch die Linke ist nicht abgeneigt. Für schlaflose Nächte bei Maly und Lehner dürfte der Gegenwind dennoch nicht sorgen. Denn SPD und CSU haben zusammen eine große Mehrheit im Stadtparlament. Zudem wollen die Grünen für die Bewerbung stimmen. »Ich rechne mit weniger als zehn Gegenstimmen«, sagte Maly. Ihm sei aber durchaus bewusst, dass die Mehrheit im Stadtrat nicht die Mehrheit der Herzen in der Bevölkerung bedeute. Darum kündigt der Rathauschef an: »Wir werden das Projekt nicht machen, ohne den Willen der Nürnberger Bürger erfragt zu haben.« Er glaube aber, dass die Bewerbung eine »Riesen-Chance für Nürnberg« sei. Schönreden will Maly dennoch nichts: »Ja, es kostet Geld und es macht einen Haufen Arbeit. Aber das ist beim Papst-Besuch auch nicht anders.«

Kulturreferentin Lehner rechnet ebenfalls mit einer »großen Mehrheit« bei der Abstimmung. Das Argument der hohen Kosten will sie nicht gelten lassen: »Neben dem Imagegewinn und dem Gewinn von Aufmerksamkeit in europäischer Dimension schafft so eine Bewerbung auch Arbeitsplätze.« Es nur am Geld festzumachen, sei zu kurz gedacht. Außerdem hätten andere Städte wie etwa Pilsen, die Europäische Kulturhauptstadt 2015, gezeigt, dass sich jeder investierte Euro versechsfacht habe. Ein Scheitern müsse man immer einkalkulieren. Zumindest für die Abstimmung am Mittwoch sei das aber »praktisch ausgeschlossen.« Danach muss in knapp drei Jahren die Bewerbung erarbeitet werden. Dafür wurden drei neue Stellen geschaffen. Es soll zudem ein »Mitmachprozess« für die Bürger gestartet werden.

Im Jahr 2020 fällt dann die Entscheidung, ob Nürnberg das Rennen macht. Die Konkurrenz ist groß: Gegen die Frankenmetropole treten unter anderem Dresden, Magdeburg, Chemnitz, Heidelberg, Ulm und Hildesheim an. Auch Würzburg, Kassel, Witten und Wiesbaden haben Interesse signalisiert, sich aber noch nicht offiziell für eine Bewerbung entschieden. Zuletzt konnten sich in Deutschland Weimar (1999) und Essen mit dem Ruhrgebiet (2010) mit dem Titel schmücken. dpa/nd

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