Der Staatsanwalt hat das Wort

Streit über angeblichen Subventionsbetrug bei Fricopan endet mit Vergleich

  • Hendrik Lasch, Stendal
  • Lesedauer: 3 Min.

Hat der Backwarenhersteller Aryzta Betrug mit Fördergeldern betrieben, als er ein Werk in Eisleben mit finanzieller Hilfe des Landes Sachsen-Anhalt ausbaute und anschließend seine Filiale Fricopan in der Altmark mit ihren fast 500 Beschäftigten abwickelte? Andreas Höppner hat das dem Konzern vorgeworfen. Der ehemalige Fricopan-Betriebsratschef drohte dem Konzern, er werde ihn wegen »Fördermittelmissbrauch und -betrug« anzeigen. Aryzta wehrte sich gegen den Vorwurf und klagte auf Unterlassung, und auf den ersten Blick scheint es, als sei es dem Konzern gelungen, Höppner einen Maulkorb zu verpassen. Im Landgericht Stendal stimmte dieser einem Vergleich zu, wonach er die Äußerung vorerst nicht mehr wiederholt - jedenfalls nicht außerhalb des Landtags, dem er als Mitglied der Linksfraktion seit dem Frühjahr angehört.

Auf den zweiten Blick mutet die Zusage freilich fast schlitzohrig an, denn Höppner hat das Wort gewissermaßen nur weitergereicht: an die Staatsanwaltschaft Halle. Diese prüft nach einer Anzeige des 48-jährigen Politikers dessen Vorwürfe und hat mittlerweile ein Ermittlungsverfahren eröffnet - nach Ansicht von Höppners Anwalt Uwe Bitter ein Indiz dafür, dass die Vorhaltungen nicht völlig aus der Luft gegriffen sind. Der Ex-Betriebsrat muss deshalb nicht mehr selbst von Subventionsbetrug sprechen; er verweist darauf, dass die Behörde wegen eben dieses Vorwurfs ermittelt. Vom Ergebnis des dortigen Verfahrens hängt ab, ob Höppner seine Anschuldigungen künftig auch wieder selbst erheben darf - gegebenenfalls mit amtlichem Segen. Der Politiker hofft, dass die Staatsanwälte im Laufe des Jahres 2017 zu einer Entscheidung kommen.

Höppner begründete seine Anzeige damit, dass sich Aryzta nicht nur das 1996 in Immekath in der Altmark eröffnete Werk Fricopan mit 13 Millionen Euro fördern ließ, sondern vom Land zudem fünf Millionen Euro für einen Backwarenbetrieb erhielt, den die Firma Klemme in Eisleben errichtet hatte und den Aryzta 2013 übernahm. Bereits ein Jahr später, behauptet Höppner, seien Arbeitskräfte aus der Altmark ins Mansfeld umgesetzt worden; zudem habe man die Herstellung von 130 der 400 Fricopan-Produkte dorthin verlagert.

Diesen Vorwürfen widersprach der Anwalt des Konzerns vor Gericht. In einem Brief an mehrere Aryzta-Manager hatte Höppner diesen im Sommer dennoch vorgeworfen, die Verlagerung sei »teils planmäßig« erfolgt. Indiz dafür, dass der Konzern quasi den Markt bereinigen wollte, ist auch die Weigerung Aryztas, das Werk in der Altmark einem Mitbewerber zu überlassen. Wenn eine Firma in Sachsen-Anhalt Fördergeld beantragt, muss sie unter anderem ausschließen, dass zeitnah in einer »anderen mit dem Unternehmen verbundenen Betriebsstätte Arbeitsplätze abgebaut« werden.

Die Werksschließung in Immekath hatte eine Debatte über die Förderpolitik in Sachsen-Anhalt entfacht, die derzeit neue Nahrung erhält, und zwar erneut durch eine Werksverlagerung eines Backwarenherstellers. Die Firma Lieken schließt ein Werk in Weißenfels und eröffnet ein neues in Wittenberg. Dort sollen 250 Menschen arbeiten - die allerdings, anders als am bisherigen Standort, nicht mehr nach Tarif bezahlt werden. Dennoch wird der Neubau, der 2017 eröffnen soll, mit 11,3 Millionen Euro gefördert. Der MDR hatte getitelt: »Lieken trickst Belegschaft aus«.

Höppner sieht die Fälle Fricopan und Lieken als Beleg dafür, dass die Förderpolitik des Landes neu ausgerichtet und auf Missstände hingewiesen werden muss. Nur dass der Abgeordnete ab sofort nicht mehr selbst von Betrug spricht, sondern auf die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft verweist.

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