Terror zerstört den Tourismus

Frankreich verzeichnet einen Einbruch bei den Besucherzahlen - viele Jobs sind in Gefahr

  • Ralf Klingsieck, Paris
  • Lesedauer: 4 Min.

Seit den schweren Terroranschlägen 2015 und im vergangenen Sommer in Paris und Nizza ist die Zahl ausländischer Touristen in Frankreich empfindlich zurückgegangen. Als Folge macht die Branche eine schwere Krise durch. Mit jährlich bis zu 47 Millionen ausländischen Besuchern war das Land über viele Jahre das meistbesuchte Touristenziel der Welt. Die Branche macht 7,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) aus und stellt zwei Millionen Arbeitsplätze bereit.

Doch der Spitzenplatz ist gefährdet. Für die Bilanz des zu Ende gehenden Jahres rechnet man mit mindestens drei Millionen Besuchern aus dem Ausland weniger als im Vorjahr. Die Wintersportorte hoffen, dass sie von diesem Trend verschont bleiben, weil Berge und Skipisten nicht als Terrorziele gelten. Damit kann die Branche über Weihnachten und Neujahr vielleicht etwas von dem aufholen, was in der Hauptsaison verloren gegangen ist.

Im zurückliegenden Sommer wurden 20 Prozent weniger Flüge nach Frankreich gebucht und im Landesdurchschnitt 10 Prozent weniger Hotelübernachtungen reserviert, in Paris sogar 16 Prozent. Hier waren die Rundfahrtbusse und auf der Seine die Ausflugsschiffe nur spärlich besetzt, Museen und Ausstellungen weniger voll. Deutlich weniger Besucher werden auf dem Eiffelturm gezählt, der wegen seiner Symbolwirkung als potenzielles Ziel von Terroranschlägen gilt. Die demonstrativen Militärpatrouillen auf den Straßen im Rahmen des nach wie vor geltenden Ausnahmezustands können daran nicht viel ändern. Vom Niedergang betroffen sind aber nicht nur Paris und Umgebung, sondern auch die Côte d'Azur, die Loire-Schlösser, die Normandie und die Bretagne. Allein der Mont Saint-Michel zählte in diesem Sommer 300 000 Touristen weniger.

Vor allem Nordamerikaner, Japaner und Chinesen machen zunehmend einen Bogen um Frankreich, weil das Land als unsicher gilt. »Das bezieht sich aber nicht nur auf den Terror«, meint Didier Arno, Generaldirektor der Marketingagentur Protourisme. »Auch die immer zahlreicheren Taschendiebstähle, deren Ziel vorzugsweise ausländische Touristen sind, schaden dem Ruf.« Die Branchenverbände bezeichnen die Lage als »katastrophal«. Hotels und Restaurants wollen bis zu 30 Prozent ihres Personals entlassen. Damit sind mindestens 30 000 Arbeitsplätze unmittelbar gefährdet.

Auf den Hilferuf der Branche hat die Regierung im Herbst mit einem Sofortprogramm reagiert, für das 43 Millionen Euro bereitgestellt wurden. Vor allem wurden mehr Polizisten und Videoüberwachung an den Haupttouristenzentren zugesichert. Im Ausland soll durch Werbekampagnen für Frankreich als sicheres Reiseziel geworben werden.

Keine öffentlichen Mittel kostet die Empfehlung des Staatssekretärs für Tourismus, Hotels und Restaurants sollten ihre Preise und damit ihre Gewinnmargen senken, um mehr Gäste anzuziehen. Als Beispiel wird ein Pariser Hotel angeführt, das seine Zimmer für 109 Euro pro Nacht anbietet statt wie früher für 199 Euro und das seitdem wieder fast täglich ausgebucht ist.

Ferner sichert die Regierung, um gerechte Wettbewerbsbedingungen zu sichern, ein entschlossenes Vorgehen gegen die Umtriebe des Internetvermittlers Airbnb zu. Für diesen ist Frankreich mit landesweit 300 000 angebotenen Touristenwohnungen und zehn Millionen Gästen im Jahr nach den USA der zweitgrößte Markt überhaupt. Nun kämmen die Finanzbehörden systematisch das Internet auf der Suche nach Vermietern durch, die mehr als eine Wohnung anbieten oder die ihre Einnahmen nicht versteuern. Wer über Airbnb im Internet seine Wohnung oder sein Wochenendhaus feilbietet, muss die kassierte Miete deklarieren und darauf Steuern zahlen. Wenn die Einnahmen 32 900 pro Jahr nicht überschreiten, ist nur die Hälfte steuerpflichtig.

Vor allem aber soll das Unternehmen Airbnb selbst zur Kasse gebeten werden. In Frankreich, wo die Einnahmen auf 65 Millionen Euro geschätzt werden, deklarierte der Konzern im vergangenen Jahr nur 166 000 Euro Gewinn und entrichtete dafür 6900 Euro an Steuern. Möglich war dies laut Medienberichten durch trickreiche »Steueroptimierung«: Die ausländischen Besucher zahlen die Kosten für ihre Ferienwohnung in Frankreich im voraus auf ein Konto in Großbritannien oder Irland ein, wo das Unternehmen für die eigenen Gewinne verschwindend wenig Steuern zu zahlen hat. Nach Abzug von zwölf Prozent Kommission wird das Geld dann den Vermietern in Frankreich überwiesen. Die Finanzbehörden sind dabei, Strategien zu entwickeln, um dieses System auszuhebeln und damit wieder einigermaßen gleiche Rahmenbedingungen für alle Akteure auf dem Markt zu schaffen.

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