Verklausulierung der Sicherheit

Parteien und Fraktionen bringen sich für das Wahlkampfjahr 2017 in Stimmung

  • Uwe Kalbe
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Parteien und ihre Fraktionen im Bundestag wissen, was die Wähler in diesem Jahr erwarten: Sicherheitspolitik. Und die Wähler wissen, was sie erwartet: Sicherheitspolitik. Die SPD-Bundestagsfraktion, die Grünen-Fraktion und der CDU-Parteivorstand stellten das Thema auf ihren Klausuren zu Jahresbeginn an den Beginn auch ihrer Beratungen. Die Grünen, die ihr dreitägiges Treffen in Weimar am Freitag beendeten, demonstrierten deutliche Distanz gegenüber der Union wie gegenüber der SPD, die sie beide dafür kritisierten, dass sie Terroristen, terroristische Gefährder und Flüchtlinge in ihren Papieren gemeinsam behandeln. Flüchtlinge werden dabei als potenzielle Gefahr statt als Menschen in Not behandelt. Die Grünen immerhin machten darauf aufmerksam, dass nicht nur der »menschenverachtende Terror des Dschihadismus«, sondern auch die Anschläge auf Flüchtlingsheime ein ungeklärtes Sicherheitsproblem darstellen. Letztere spielen in den Debatten gewöhnlich keine Rolle. Die Grünen machen einen feinen Unterschied zwischen Videoüberwachung (dauerhaft) und Videobeobachtung (nach Anlass) und finden beides an »Orten mit besonderem Gefahrenpotenzial beziehungsweise sensiblen öffentlichen Orten« sinnvoll - »um den Menschen ein Gefühl von Sicherheit zu vermitteln ...« Die anlasslose Massenüberwachung der ganzen Bevölkerung mache Deutschland jedenfalls nicht sicherer, sie sei sogar kontraproduktiv, zeigen sich die Grünen überzeugt.

Dem »populistischen Verschärfungswettbewerb« zur Sicherheitspolitik verweigern sich die Grünen und bevorzugen stattdessen eine »Effektivierung und Ausschöpfung bestehender rechtlicher Möglichkeiten«. Die SPD-Fraktion im Bundestag bekannte sich hingegen auf ihrer Klausur ausdrücklich zu einer Verschärfung der Sicherheitsgesetze. Die nächsten Schritte sind schon eingeleitet; sie waren erst in dieser Woche von Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) und Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) bekanntgegeben worden und sehen den häufigeren Einsatz der Fußfessel und die Verschärfung der Abschiebungsregeln vor. Überdies soll der Druck auf Heimatländer von sogenannten Gefährdern erhöht werden, unter anderem durch die Streichung von Fördermitteln, wie Minister Maas verlangt hatte.

Parteichef Sigmar Gabriel habe in einer Rede an die Abgeordneten »deutlich gemacht, dass es bei dieser Bundestagswahl um viel geht«, plauderte nach der Klausur in Berlin der Fraktionsvorsitzende Thomas Oppermann aus dem Nähkästchen. Es gehe »um unsere Demokratie, um unsere offene Gesellschaft und es geht darum, ob wir den Menschen wieder das Gefühl geben können, dass sie Teil dieses Gemeinwesens sind«. Ob dieses Bekenntnis der SPD aus dem Sympathietief bei der Wählerschaft hilft? Die inhaltlichen Vorschläge der SPD seien so »attraktiv«, dass die Partei in den Umfragen »einen großen Schritt nach vorne« machen werde, zeigte Oppermann sich überzeugt.

Am Freitagabend war der CDU-Vorstand im saarländischen Perl zur Klausur mit ihrer Parteichefin und Bundeskanzlerin Angela Merkel zur zweitägigen Klausur verabredet. Der SPD, die in Berlin auch DGB-Chef Reiner Hoffmann zu Gast hatte, stand man in nichts nach, am Sonnabend war dieser auch von der CDU nach Perl geladen - gemeinsam mit dem Präsidenten des Industrieverbands BDI, Dieter Kempf. Doch auch die CDU widmete einen Teil ihrer Aufmerksamkeit der Sicherheit.

Anders als die CSU. Die Christsozialen, die mit ihrer Forderung nach einer Obergrenze für Flüchtlinge den Streit mit der CDU seit Monaten am Laufen halten, verzichten auf das Thema, wenn sich die Landtagsfraktion in der kommenden Woche zur Klausur im Kloster Banz trifft. Dennoch - wegen der bisher unüberbrückbaren Differenzen mit der CDU zu diesem Thema und der deswegen anhaltenden Verstimmung in der Union hat sie erst gar keinen Politiker der CDU eingeladen und damit eine langjährige Tradition beendet. Das Thema Sicherheitspolitik steht aber nicht auf der Tagesordnung. Dort findet sich stattdessen die Digitalisierung.

Die LINKE-Fraktion trifft sich zu ihrer ersten Klausur des Jahres bisherigen Planungen zufolge im Mai, wie »nd« erfuhr. Mit Agenturen

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