Die Mini-DDR überlebt ihre Pleite

Ein bayerischer Unternehmer hat eine historische Sammlung in Sachsen bewahrt

  • Hendrik Lasch, Dresden
  • Lesedauer: 3 Min.

Die MZ-Motorräder aus Zschopau stehen nur Schritte neben den Kassen eines Discounters, der Skoda mit dem Surfbrett auf dem Dachgepäckträger ist direkt neben dem Eingang zu einem Elektronikmarkt geparkt. Und während die Einkaufskörbe im Supermarkt im Erdgeschoss mit ihrer schieren Größe zu exzessivem Shoppen verleiten sollen, mahnt ein Schild in einer nachgebauten Kaufhalle im ersten Stock zur Mäßigung: »Nur 5 Flaschen je Haushalt bitte!«

Es sind Welten, die seit diesem Sonntag in einem Hochhaus am Dresdner Albertplatz aufeinander prallen. Hier die Konsum- und Überflussgesellschaft, in der für Geld (fast) alles zu haben ist, dort die »Welt der DDR«, wie es in großen Lettern über dem Eingang heißt: eine Welt, die ihre Kritiker gern als Mangelgesellschaft apostrophieren, während viele derer, die sie erlebt haben, den sozialen Zusammenhalt loben.

Peter Simmel mag das eine nicht gegen das andere aufwiegen. »Wir wollen nicht werten, was gut und was schlecht war«, sagt der Unternehmer aus Bayern. Sein Geschäft sind eigentlich Läden und Einkaufsmärkte. Zuletzt hat er den Stahlbetonbau von 1929 am Albertplatz in Dresden sanieren lassen, in dem einst die Sächsische Staatsbank und später die Verkehrsbetriebe ansässig waren, bevor er zeitweise dem Verfall überlassen wurde. Nun ist der Bau zur Ladenpassage geworden - und zu einem Refugium für die Erinnerung an ein kleines Land, das erst 20 Jahre nach Einweihung des Hochhauses gegründet wurde und 40 Jahre später schon wieder abgewickelt war. Simmel hat die 60 000 Ausstellungsstücke in der »Welt der DDR«, die vom Simson-Moped bis zur Ordensmappe, vom Mixer RG28 bis zu einer original eingerichteten Apotheke reichen, nicht selbst zusammengetragen. Das Verdienst gebührt seinem bayrischen »Landsmann« Hans-Joachim Stephan, der in Radebeul eines der umfangreichsten und renommiertesten DDR-Museen aufgebaut hatte. Zuletzt war die Schau aber in Turbulenzen geraten. Die Besucherzahl sank von 60 000 auf 41 000; zugleich drückten hohe Mietforderungen der Eigentümer des DDR-Industriegebäudes. Im Juli 2016 musste Stephan Insolvenz anmelden.

Bewahrt wurde die Sammlung durch den Handelsunternehmer Sinmmel. »Wir konnten sie ja nicht vor die Hunde gehen lassen«, sagt er. Zwar arbeitet der Gründer der Sammlung, anders als vier seiner Mitarbeiter, am neuen Ort in Dresden nicht mehr mit; es habe »atmosphärische Probleme« gegeben, deutet Simmel an. Der Schau selbst hat der Umzug aber nicht geschadet: Sie präsentiert sich auf der mit 1500 Quadratmetern halbierten Ausstellungsfläche wohltuend gestrafft. »Wir stellen nicht jeden Fön in fünf Farben aus«, sagt Simmel. Große Schwarzweiß-Fotografien an den Wänden sowie mit DDR-Tageszeitungen dekorierte Stellwände bilden zudem eine gestalterische Klammer, die Kritiker in Radebeul vermissten.

Nicht entkräftet wird indes auch weiterhin deren Vorwurf einer gänzlich unreflektierten Sicht auf die Geschichte. »Wir haben nicht vor, uns mit irgendetwas kritisch auseinanderzusetzen«, erklärt Simmel. In der DDR sei »vieles besser gewesen als bei uns im Westen«, sagt der Bayer - der indes auch einräumt, dass das »nicht alle so sehen«. Als man erwog, auf Werbematerialien auch Hammer, Sichel und Ährenkranz auftauchen zu lassen, legte eine Mitarbeiterin, die in der DDR aufgrund von Westkontakten schikaniert wurde, Widerspruch ein. Nun zeigt das Faltblatt neben einem Trabant 500 auch die Wasch- und Putzmittel Fay und IMI - was zur neuen Nachbarschaft ganz gut passt.

»Die Welt der DDR«, Antonstraße 2a in Dresden, täglich (auch sonntags) 10 bis 19 Uhr, Eintritt 9 Euro, Senioren mittwochs nur 4 Euro

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