Beweise, dass du kein Mensch bist!

Ein Gespräch mit Kristoffer Gansing, dem Kurator der »Transmediale«

  • Tom Mustroph
  • Lesedauer: 4 Min.

Kristoffer Gansing, was machten Sie im Jahre 1988, als die Transmediale als VideoFest Berlin aus der Taufe gehoben wurde?

Ich war da elf Jahre alt und habe wahrscheinlich mit meinem Amiga-Rechner zu Hause gesessen und versucht, Spiele zu programmieren oder einfach ein Spiel gespielt. Videokunst kannte ich damals sehr wenig, obwohl ich ein großes Interesse am experimentellen Film hatte.

Zur Person

Das Festival »Transmediale« erkundet seit 30 Jahren die neuen Technologien auf künstlerische Brauchbarkeit. Zum Jubiläum wird in der Ausstellung »Alien Matter« anhand menschengemachter, aber dem Menschen auch fremd werdender Materialien das Verhältnis zwischen Mensch, Technologie und Natur untersucht. Darüber sprach mit Kurator Kristoffer Gansing für »nd« vorab Tom Mustroph.

Als Kurator des Jubiläumsfestivals haben Sie sich mit den 30 Jahren Transmediale explizit auseinander gesetzt. Was waren rückblickend die wichtigsten Etappen?

Es gibt diese interessante Vorgeschichte, dass das VideoFest als Teil des Forums der Berlinale geboren wurde.

Damals sogar als Protestveranstaltung, weil die Berlinale weniger Videoscreenings als zuvor geplant hatte.

Ja, es ging darum, ein größeres Programm mit dem Medium Video zu organisieren, als es innerhalb des Berlinale-Forums möglich war. Interessant ist ja, dass das VideoFest gemeinsam mit dem Kino Arsenal und der MedienOperative Teil einer Gegenbewegung war. Das hat die Grundhaltung der Transmediale mitbestimmt.

Wie würden Sie diese Grundhaltung beschreiben?

Sie liegt im Interesse am künstlerischen Ausdruck durch Medien generell und dabei zugleich an einer kritischen Perspektive auf Technologien. Es geht darum, auch die Grenzen und Beschränkungen dieses Feldes zu untersuchen und nicht darum, sich dem Hype der neuen Technologien komplett hinzugeben.

Dem Trägermedium Video folgte beim VideoFest die CD-ROM.

Genau, das war wie Netzkunst, nur offline, und leider sind viele dieser Arbeiten heute gar nicht mehr zugänglich, weil die Systeme veraltet sind.

Was sind die aktuellen Trägermedien und prägenden Technologien, mit denen die Transmediale sich beschäftigt?

Aktuell erleben wir einen Hype mit Immersion und Virtual Reality. Für mich ist das quasi retro, weil das in den neunziger Jahren bereits ein Hype war um Leute, die mit Headsets und Datenhandschuhen herumliefen.

Naja, das war damals wohl eher der Hype einer begrenzten Künstler- und Forschercommunity.

Stimmt, man konnte die Dinge noch nicht im Mediamarkt kaufen, es war eine Sache der Forschungslabore. Aber ich erinnere mich als einer aus der Home Computer Kid-Generation, dass 1996 alle Computermagazine Headsets und Datenhandschuhe auf dem Cover hatten. Jetzt schrieb die »Süddeutsche Zeitung«, dass 2016 das Jahr von Immersion und Virtual Reality gewesen sei.

Ja, ja, die Mainstreammedien, sie liegen immer zwei Jahrzehnte zurück. Aber auch das aktuelle Festivalmotto »ever elusive« scheint mir etwas retro. Denn flüchtig sind die neuen Technologien ja nicht. Unsere Umgebung wird immer voller mit dem Internet der Dinge. Warum also die Betonung des Flüchtigen?

Ich meine nicht die Flüchtigkeit der Infrastruktur. Technologie ist konkret. Aber die Algorithmen und Protokolle, die einen großen Einfluss haben, die sind doch meist nicht sichtbar. Was uns interessiert, ist dieses Verhältnis zwischen dem Menschlichen und dem Nicht-Menschlichen, die wachsende Kraft der Maschinen und die Formen, mit denen wir dieses Verhältnis mitgestalten können.

Was genau sind die Themen dieser Transmediale?

Wir beschäftigen uns aktuell mit der künstlichen Intelligenz, dem Lernen von Maschinen. In der Ausstellung wird es aber auch einen Kühlschrank geben, der über seine eigene Existenz philosophiert, eine Art Bewusstsein entwickelt und sich mit anderen smarten Geräten vergleicht. Generell wird die Unterscheidung von menschlich und nicht-menschlich ein Thema sein. Sogar die AfD hat ja angekündigt, im Wahlkampf mit Bots arbeiten zu wollen. Oft sind die Bots aber auch Menschen, Arbeiter in Billiglohnländern, die diese Tätigkeiten übernehmen. Ein Panel wird zum Thema haben: »Prove you are non-human!« (Beweise, dass du kein Mensch bist).

Damit die bots dann also sicher sein können, dass sich kein Mensch bei ihnen einschleicht - reizvolle Idee. Wann, denken Sie, wird es den ersten Kuratoren-Bot geben, der die Transmediale organisiert?

Vielleicht wird das schon innerhalb der nächsten zehn Jahre passieren, wenn das kostengünstiger ist. Mal sehen, was in Großbritannien nach dem Brexit passiert, wenn dort Gelder in der Kultur eingespart werden.

Das Festival »Transmediale« läuft vom 2. Februar bis zum 5. März im Haus der Kulturen der Welt (John-Foster-Dulles-Alllee 10, Tiergarten).

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