Große Koalition: Schneller, immer schneller
Bund und Länder sind beim Thema Asyl im Geschwindigkeitsrausch
Berlin. Die Beschlüsse von Bund und Ländern für schnellere Abschiebungen sind für die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) Anlass, eine weitere Beschleunigung der Asylverfahren zu fordern. Spätestens nach sechs Monaten müsse eine Entscheidung des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vorliegen, sagte Dreyer. Sonst sei der gemeinsame Plan, abgelehnte Asylbewerber möglichst noch aus der Erstaufnahmeeinrichtung in die Heimat zurückzuschicken, nicht realisierbar. Die Ministerpräsidenten und Bundeskanzlerin Angela Merkel hatten sich am Donnerstagabend darauf verständigt, dass der Bund bald einen Entwurf für ein »Gesetz zur besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht« vorlegen soll. Im Zentrum der Beschlüsse steht, dass Asylbewerber ohne Bleibeperspektive bereits aus der Erstaufnahmeeinrichtung abgeschoben werden sollen. Sie sollen nicht erst in Kommunen untergebracht werden und dort Fuß fassen. Vorgetäuschte Identitäten oder Straftaten sollen künftig härter geahndet werden. Die Abschiebehaft für Gefährder soll ausgeweitet, ihre Überwachung erleichtert werden.
Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (LINKE), der an dem Gespräch in Berlin nicht teilgenommen hatte, verwahrte sich gegen »Wahlkampfmanöver der Großen Koalition«. In einer Protokollerklärung machte Thüringen seinen Widerspruch auch inhaltlich gegen die Beschlüsse der Kanzlerinnenrunde deutlich. Pro-Asyl-Geschäftsführer Günter Burkhardt forderte die Abgeordneten in den Landtagen und im Bundestag auf, »sich der Abschiebemaschine, die menschliche Folgen außer Acht lässt, entgegenzustellen«. Auch der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Jörg Radek, warnte vor rechtsstaatlich bedenklichen Entscheidungen. »Wir sollten uns davor hüten, unsere Werte und Rechtsauffassung durch politischen Aktionismus zu opfern, nur um einige Tausend Menschen ohne Bleibeperspektive vielleicht einige Wochen schneller aus dem Land zu bekommen«, erklärte Radek. Die Fraktionsvorsitzende der Grünen im Berliner Abgeordnetenhaus, Antje Kapek, sagte im RBB-Inforadio: »Dieses Papier ist insgesamt hochproblematisch, weil es vor allem unterstellt, dass Asylsuchende grundsätzlich eine Gefahr für unsere Gesellschaft sind und deshalb nach Möglichkeit auch gar nicht den Fuß in diese Gesellschaft setzen sollten.«
Justizminister Heiko Maas (SPD) begrüßte die Beschlüsse. »Nur wenn wir unsere Regeln durchsetzen, werden wir die Akzeptanz für Zuwanderung dauerhaft erhalten.« Nicht durchsetzen konnte sich die Union mit den von Innenminister Thomas de Maizière vorgeschlagenen neuen Ausreisezentren des Bundes. Dazu soll es erst noch weitere Beratungen geben. Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) begrüßte die Pläne. »Wir haben ein gutes Ergebnis gefunden«, sagte er. Er sprach sich allerdings dafür aus, lange in Deutschland geduldete Flüchtlinge zu integrieren. nd/Agenturen Seite 5
Wir stehen zum Verkauf. Aber nur an unsere Leser*innen.
Die »nd.Genossenschaft« gehört denen, die sie lesen und schreiben. Sie sichern mit ihrem Beitrag, dass unser Journalismus für alle zugänglich bleibt – ganz ohne Medienkonzern, Milliardär oder Paywall.
Dank Ihrer Unterstützung können wir:
→ unabhängig und kritisch berichten
→ übersehene Themen in den Fokus rücken
→ marginalisierten Stimmen eine Plattform geben
→ Falschinformationen etwas entgegensetzen
→ linke Debatten anstoßen und weiterentwickeln
Mit »Freiwillig zahlen« oder einem Genossenschaftsanteil machen Sie den Unterschied. Sie helfen, diese Zeitung am Leben zu halten. Damit nd.bleibt.