Separatistische Verstaatlichung

»Volksrepubliken« erfüllen ihr Ultimatum und übernehmen ukrainische Unternehmen

  • Denis Trubetskoy, Kiew
  • Lesedauer: 3 Min.

Nun ist es passiert: Am frühen Mittwochmorgen meldeten die selbst ernannten Volksrepubliken Donezk und Luhansk, dass sie ab sofort die Kontrolle über die ukrainischen Betriebe im Separatistengebiet übernehmen. »Ab Null Uhr ist in den ukrainischen Unternehmen in der Volksrepublik Donezk die externe staatliche Leitung eingeführt worden«, zitiert die russische Nachrichtenagentur Interfax eine Quelle im Ministerrat von Donezk. Das Gleiche gilt für die Volksrepublik Luhansk. Damit erfüllten die Separatisten ihr eigenes Ultimatum, in dem sie gedroht haben, alle ukrainischen Unternehmen unter ihre Kontrolle stellen zu wollen, falls Kiew bis zum 1. März die Donbass-Blockade nicht beendet.

Tatsächlich war Dienstag nicht nur für ukrainische Unternehmer, die Betriebe im Donbass besitzen, ein enorm stressiger Tag. Auch in der Präsidialverwaltung von Petro Poroschenko wurde verstärkt nach Lösungen gesucht. Mehreren Quellen zufolge setzte Poroschenko vor allem auf einen Kompromiss mit Aktivisten der Blockade. Demnach sollte ein Gesetz erarbeitet werden, das den Handel mit besetzten Gebieten zwar generell verbietet, die »kritische Einfuhr« - dazu gehören unter anderem Erz und Kohle - aber erlaubt. Diese Option wurde von den Aktivisten abgelehnt.

Zwar versichert die ukrainische Regierung, das Land hätte genug Anthrazitkohle zumindest bis Mitte März. Doch die Zeit läuft - und es ist unwahrscheinlich, dass die Volksrepubliken nach Beginn der Verstaatlichung zurückdrehen. »Alles läuft nach Plan. Bis zum heutigen Abend sind wir fertig«, betonte zumindest Alexander Sachartschenko, Chef der Volksrepublik Donezk. Sowohl Donezk und Luhansk als auch Moskau geht es vor allem um Steuern, die ukrainische Unternehmen wie der Energiekonzern DTEK des Oligarchen Rinat Achmetow an die Volksrepubliken nicht zahlten. Dagegen haben sie Steuern an Kiew bezahlt, während die Volksrepubliken davon nur einen Bruchteil bekamen. Wenn es den Separatisten aber gelungen wäre, Steuern von ukrainischen Unternehmen zu verlangen, könnten die beiden Republiken auch selbst Geld verdienen - und wären nicht nur auf die Finanzierung durch Moskau angewiesen. Großunternehmer wie Achmetow stellen sich aber klar gegen die Zahlung offizieller Steuern an die Separatisten. Und der Handel mit den staatlichen Unternehmen der Volksrepubliken ist seitens der Ukraine ausgeschlossen. Damit wird die Wahrscheinlichkeit größer, dass Kiew auf die teuren Kohlelieferungen aus dem Ausland bald umsteigen sowie sich auf unsichere Monate im Energiebereich vorbereiten muss.

Die Situation ist aber nicht nur für die Ukraine nachteilig. Dass für die von Volksrepubliken übernommenen Unternehmen der Außenhandel quasi geschlossen sein wird, ist klar. Und während sie immer noch Kohle an Russland liefern können, ist ein solches Geschäft nun für Moskau nicht profitabel. Denn die russische Kohle ist generell billiger als die aus dem Donbass. So wird von Experten vermutet, die Verstaatlichung könne zur Kündigung von etwa 100 000 Werktätigen in der Region führen.

»Ich verstehe nicht, in welchem Interesse diese Energie- und Wirtschaftsblockade stattfindet«, sagte der ukrainische Ministerpräsident Wolodymyr Grojsman auf der Regierungssitzung am Mittwoch. »Ich will nicht daran glauben, dass die Politiker, die bei der Blockade mitwirken, in der Tat Szenarien aus dem Ausland verwirklichen.« Auf der Sitzung beschloss die ukrainische Regierung die Regeln des Handels mit den besetzten Teilen des Donbass. Danach dürfen neben Arznei- und Lebensmitteln auch Kohle und Metalle ein- und ausgeführt werden.

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal