Make Bayern great again

Politischer Aschermittwoch: Schulz bejubelt SPÖ-Politik, Seehofer gibt den Trump

  • Aert van Riel
  • Lesedauer: 3 Min.

Christian Kern hat schnell die Lacher auf seiner Seite. In einem Bierzelt im niederbayerischen Vilshofen an der Donau bezeichnet sich der österreichische Bundeskanzler bei seiner ersten politischen Aschermittwochsrede als »Vor-Band von Martin Schulz«. Was der österreichische Sozialdemokrat schon erreicht hat, will auch der SPD-Politiker im September schaffen: Bundeskanzler im eigenen Land werden. Die Umfragen zeigen, dass es für die SPD mit Schulz bergauf gehen kann. Wenn sich die Zahlen bei der Wahl bestätigen sollten, hat der Sozialdemokrat durchaus Chancen, Amtsinhaberin Angela Merkel von der CDU abzulösen. Entsprechend gut ist die Stimmung bei den Sozialdemokraten in Vilshofen. Nachdem Kern seine Rede beendet hat, stehen sie von den Bänken auf und skandieren trunken von Alkohol und Euphorie: »Hoch die internationale Solidarität!«

Daraufhin betritt Schulz die Bühne. Der Mann, der kürzlich noch EU-Parlamentspräsident war, hält eine in weiten Teilen europapolitische Rede. Er bezeichnet SPD und SPÖ als »Bollwerk gegen Ausgrenzung, Abschottung und Nationalismus«. »Ein starkes Europa ist im deutschen und österreichischen Interesse«, ruft Schulz. Die nationalistischen Feinde der EU sieht der designierte SPD-Chef etwa in Ungarn, weil sich der konservative Ministerpräsident Viktor Orbán dort gegen die Umverteilung von Geflüchteten in der EU wehrt.

Kein Wort verliert Schulz aber darüber, dass die SPÖ Forderungen der einheimischen Rechten übernommen hat und mit diesen kooperiert. So waren die Sozialdemokraten entgegen der eigenen Parteilinie nach der Landtagswahl 2015 im Burgenland eine Koalition mit der rechtsradikalen FPÖ eingegangen. Deren Vorsitzender Heinz-Christian Strache, der vor einigen Jahren im NS-Jargon »mehr Mut für unser ›Wiener Blut‹« gefordert hatte, tritt, während Schulz redet, mit der AfD-Chefin Frauke Petry im nicht weit entfernten Osterhofen auf.

Derweil träumt man beim politischen Aschermittwoch der CSU davon, was Österreichs rot-schwarze Koalition unter sozialdemokratischer Führung bereits durchgesetzt hat. »Ich werde so lange für die Obergrenze kämpfen, bis sie kommt«, erklärt CSU-Chef Horst Seehofer. In der Dreiländerhalle brandet Applaus auf. Seehofer will, dass Deutschland maximal 200.000 Flüchtlinge pro Jahr aufnimmt, Angela Merkel lehnt eine Obergrenze jedoch ab. Vorbild für die CSU könnte die Wiener Politik sein. Die dortige Sonderverordnung sieht vor, dass ab Erreichen der Obergrenze von 35.000 Asylverfahren in diesem Jahr Flüchtlinge an den Grenzen zurückgewiesen werden. Problematisch ist allerdings, dass Ungarn nicht alle Schutzsuchenden zurücknehmen will. Hinzu kommt, dass die Obergrenze rechtswidrig ist, weil jeder Asylbewerber das Recht auf individuelle Prüfung seines Antrags hat.

Diese Bedenken spielen in Passau keine Rolle. Gemäß dem Motto der CSU, dass es sich hier um den »größten Stammtisch der Welt« handelt, werden auf komplizierte Fragen simple Antworten gegeben. In Anlehnung an den Ausspruch »America first« des US-amerikanischen Präsidenten Donald Trump verkündet der Ministerpräsident, sein Motto sei schon immer »Bayern zuerst« gewesen. »Meine Agenda ist Jobs, Jobs, Job«, fügt Seehofer mit heiserer Stimme hinzu. Fraglich bleibt, wo das Geld für Investitionen herkommen kann, wenn seine Forderung nach einer Agenda 2025, die Steuersenkungen in Milliardenhöhe für »kleinere und mittlere Einkommen« und die Abschaffung des Solidaritätszuschlags beinhalten soll, ohne Gegenfinanzierung umgesetzt werden sollte.

Die Pläne sind Teil eines Wahlkampfs gegen Rot-Rot-Grün. Verkehrsminister Alexander Dobrindt meint, dass SPD und Grüne »Steigbügelhalter der Kommunisten« und der »Erben der SED« seien. Um dieses Bündnis zu verhindern, würde die CSU eine erneute Große Koalition präferieren, notfalls wohl auch mit einer stärkeren SPD. Schulz dürfte in diesem Fall nicht abgeneigt sein.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal