Ein bisschen Schulz-Reform

Der SPD-Kandidat will sich mit ALG Q von der Agenda-Politik absetzen - allerdings nicht sehr weit

Die Ankündigung, das Arbeitslosgeld 1 zu reformieren und im Wahlkampf auf soziale Gerechtigkeit zu setzen, ließ Martin Schulz bisher die Herzen alter und neuer Genossen zufliegen. Mehr als 10 000 Menschen sind laut SPD seit Schulz’ bundespolitischem Auftauchen in die Partei eingetreten. Nach Jahren der Schröderschen Agenda-Politik und Großer Koalitionen verspricht Schulz den Sozialdemokraten Aufbruch und dem Wahlvolk eine Alternative zur alternativlosen Kanzlerin.

Halten die ersten am Wochenende bekannt gewordenen Details zu den ALG-1-Reformplänen, was das hemdsärmlige und bürgernahe Auftreten von Schulz in den letzten Wochen angedeutet hat? Aus Sicht der möglichen und für eine tatsächliche soziale Politikwende nötigen Koalitionspartner nicht: Ein längerer ALG-I-Bezug sei zwar gut, erklärte LINKE-Vorsitzende Katja Kipping. »Aber zu einem wirklichen Bruch mit Agenda 2010 und Hartz IV gehört die Abschaffung der Sperrzeiten und der Hartz-IV-Sanktionen.« Die LINKE biete Schulz einen »Solidarpakt gegen die Armut« an, so Kipping. »Wir müssen die Agenda 2010 und Hartz IV grundsätzlich überwinden. Wenn wir unser Land zukunftsfähig machen wollen, müssen wir die Angst vor dem sozialen Abstieg besiegen. Für diese dringend benötigte Gerechtigkeitswende steht meine Partei bereit.«

Grundsätzlich finden auch die Grünen - bei denen es an der Basis rumort, weil soziale Themen bisher in den Wahlkampfüberlegungen kaum eine Rolle spielen - Schulz’ Idee nicht schlecht. Doch hätten die Bezieher von Arbeitslosengeld II nichts davon, so die arbeitsmarktpolitische Sprecherin der Grünen, Brigitte Pothmer. Auch eine Neuberechnung des ALG-II-Regelsatzes fehle in dem Konzept.

Dieses sieht im Kern die Möglichkeit vor, die Bezugsdauer von Arbeitslosengeld 1 von derzeit in der Regel höchstens zwölf Monaten (bei Über-50-Jährigen steigt die maximale Bezugsdauer schrittweise auf 24 Monate) zu verlängern - wenn sich die Betroffenen weiterqualifizieren. In dieser Zeit sollen sie ALG Q erhalten und nach Abschluss der Weiterbildung weiterhin Anspruch auf ALG 1 haben. Für ältere Arbeitslose könnte sich die Zeit des ALG-I-Bezugs somit von 24 auf maximal 48 Monate verdoppeln.

An dem Konzept übt derweil nicht nur die Opposition Kritik. Auch bei der Union und Arbeitgeberverbänden stößt die Idee auf wenig Gegenliebe - allerdings weil die gar keine Agenda-Änderungen wollen. CDU-Generalsekretär Peter Tauber etwa macht der SPD den Vorwurf, der Vergangenheit verhaftet zu sein und nach links zu driften. »Anstatt darüber nachzudenken, das Arbeitslosengeld noch länger zu zahlen, sollten wir darüber reden, wie Deutschland wirtschaftlich stark bleibt, damit auch in Zukunft neue, sichere Arbeitsplätze entstehen«, sagte Tauber dem »Tagesspiegel«. Mit Agenturen Seite 6

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