EU-Recht gibt Asylbewerbern kein Recht auf legale Einreise

Pro Asyl übt scharfe Kritik an EuGH-Urteil zu humanitären Visa / EU-Staaten müssen in ihren Auslandsbotschaften keine Visa für Flüchtlinge ausstellen

  • Lesedauer: 2 Min.

Luxemburg. Flüchtlinge erhalten nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) keine neue legale Einreisemöglichkeit in die Europäische Union (EU). Wie die Luxemburger Richter am Dienstag entschieden, steht es den EU-Mitgliedstaaten weiterhin frei, selbst nach nationalem Recht zu entscheiden, ob sie von Folter und Tod bedrohten Flüchtlingen ein sogenanntes humanitäres Visum erteilen (AZ: C-638/16 PPU). Nach EU-Recht sind sie zur Visa-Erteilung nicht verpflichtet.

Konkret ging es um eine christlich-orthodoxe Familie aus Aleppo in Syrien. Die Eltern und ihre drei Kinder hatten in der belgischen Botschaft in der libanesischen Hauptstadt Beirut ein für 90 Tage geltendes humanitäres Visum beantragt, um in Belgien einen Asylantrag stellen zu können. Der Familienvater gab dazu an, er sei in Syrien bereits von einer bewaffneten Gruppe entführt und gefoltert worden, bis er gegen Lösegeld frei kam. Wegen ihres Glaubens drohe der Familie weitere Verfolgung.

Das belgische Ausländeramt lehnte die Visaanträge ab. Wie nun der EuGH entschied, ist es Sache der einzelnen EU-Mitgliedsstaaten, ob sie in solchen Fällen Visa erteilen wollen. EU-Recht regle bislang nur Durchreise- und Touristenvisa für Aufenthalte bis zu 90 Tagen. Bei einer Einreise für einen Asylantrag gehe es aber um einen längeren Aufenthalt. Ohne EU-rechtliche Grundlage sei aber auch die Grundrechtecharta der EU nicht anwendbar.

Pro Asyl übt scharfe Kritik an EuGH-Urteil zu humanitären Visa
Die Menschenrechtsorganisation Pro Asyl hat unterdessen die Entscheidung des EuGH scharf kritisiert. »Das heutige Urteil ist ein trauriger Tag für den Flüchtlingsschutz«, erklärte Europareferent Karl Kopp am Dienstag in Frankfurt am Main. Zugleich sprach er von einem »Feiertag für die Festungsbauer und die Schlepperindustrie«.

Das Urteil hätte bei einer anders lautenden Entscheidung weitreichende Folgen für alle EU-Staaten gehabt. Ihre Botschaften hätten dann womöglich weltweit humanitäre Visa ausstellen müssen. Der Generalanwalt beim Gerichtshof, Paolo Mengozzi, hatte ein entsprechendes Urteil empfohlen, das Gericht folgte dem aber nicht.

Pro Asyl dankte Mengozzi. Dieser habe die EU »daran erinnert, was die Essenz des europäischen Projekts einmal ausgemacht hat - Flüchtlingsschutz, Menschenwürde, das Recht auf Leben, das Verbot unmenschlicher Behandlung, das absolute Verbot der Folter und der Schutz des Kindeswohls«.

Die Menschenrechtsaktivisten kündigten an, sie wollten »weiterhin für legale und gefahrenfreie Wege für Schutzsuchende kämpfen, um das Sterben vor Europas Grenzen zu beenden«. Dazu gehörten »unter anderem humanitäre Visa, großzügige Resettlementprogramme, die Erleichterung des Familiennachzugs, aber auch eine andere Migrationspolitik«. Agenturen/nd

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