Schäubles Flüchtlingstrick
Wolfgang Hübner über ein entwicklungspolitisches Pseudo-Wunder
Das wäre ja mal eine gute Nachricht - wenn man ihr trauen könnte: Deutschland hat im Jahr 2016 fast das Ziel erreicht, 0,7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts für die Entwicklungshilfe in armen Ländern auszugeben. Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung hatte diese Marke schon Anfang der 70er Jahre gesetzt, um die krassen globalen Unterschiede zwischen Reichtum hier und Armut da zu verringern. Jahrzehntelang taten sich große Industriestaaten schwer; auch das an Wirtschaftskraft kaum zu überbietende Deutschland raffte sich allenfalls zu etwa der Hälfte jener 0,7 Prozent auf.
Nun aber verkündete Finanzminister Schäuble plötzlich: 0,69 Prozent wurden erreicht. Ist ein Wunder geschehen? Nein, stattdessen kam ein ganz legaler Trick zur Anwendung. Für 2016 wurden nämlich die immensen Kosten der Flüchtlingsversorgung eingerechnet. Das Regelwerk lässt dies zu und betreibt damit Schönfärberei. Denn die Flüchtlingsbewegungen sind auch Folge der Ausbeutung und Vernachlässigung der armen Staaten durch die reichen. Mehr Geld für die Entwicklungszusammenarbeit auszugeben - das wäre genau jene Bekämpfung von Fluchtursachen, von der Politiker immer wieder reden. Nun wird die Statistik mit der Rechnung des politischen Versagens frisiert. 2018 dürfte die Quote wieder auf die bisherigen Werte zurückfallen. Nichts gelernt.
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