Für Demokratie und Frieden

Im Mai 1938 warnten tschechische Schriftsteller vor den Plänen Nazideutschlands, die Tschechoslowakei unter deutsche Kontrolle zu bringen

  • Lesedauer: 3 Min.

Etwa 300 tschechische und slowakische Autoren, darstellende Künstler und Musiker wandten sich im Mai 1938 mit einem Manifest an die Öffentlichkeit. Sie appellierten an den Erhalt der tschechoslowakischen Selbstständigkeit, die durch Adolf Hitlers Absichten einer deutschen Vorherrschaft im östlichen Teil Mitteleuropas bedroht war.

20 Jahre zuvor war die staatliche Souveränität erkämpft worden und dieser fühlten sich die Unterzeichnerinnen und Unterzeichner verbunden. Deshalb überschrieben sie ihr Manifest mit »Wir bleiben treu!«. Auch Karel Poláček setzte seine Unterschrift unter die Erklärung.

Aus ihrem Appell für Demokratie und Frieden sprechen aber auch Ängste und eine Hilflosigkeit angesichts der politischen Situation nach dem »Anschluss« Österreichs an das Deutsche Reich.

Die mahnenden Worte haben letztlich die weitere Entwicklung nicht aufhalten können. Die Befürchtungen der Unterzeichner trafen ein: Ende September 1938 unterzeichneten die Regierungschefs Großbritanniens, Frankreichs, Italiens und des Deutschen Reichs das Münchner Abkommen. Damit gaben sie ihre Zustimmung zur Abtretung des Sudentengebiets an das Deutsche Reich. Das bedeutete faktisch das Ende der 1918 entstandenen multinationalen Tschechoslowakei.

Nachfolgend sind zentrale Passagen des Manifest dokumentiert. nis

»Über alle politischen, ständischen und Klassenunterschiede hinweg schließen wir uns im Glauben an die Demokratie und Freiheit, in der Achtung zur Wahrheit und sozialen Gerechtigkeit zusammen! (...) Gern und gerecht wollen wir uns mit unseren Mitbürgern aller Nationalitäten alle Rechte und Lebensbedingungen teilen, die uns unser einheitlicher und unteilbarer Staat gibt. In gleichberechtigter Zusammenarbeit und in fester Verteidigung der gemeinsamen Rechte stellen wir uns gegen jeden, der bei uns versuchen würde, unter welchem Vorwand auch immer, fremden Interessen zu dienen. Wir sind und bleiben ein souveräner Staat, dem niemand von außen seine Forderungen auszwingen darf. (...)

Wie damals (1917), glauben wir auch heute, dass die Zukunft einem demokratischen Europa, einem Europa souveräner und freier Völker und nicht der Herrschaft der einen über die anderen gehört. Wie jene, welche am 13. April 1918 den nationalen Eid in die Hände (des Schriftstellers Alois) Jiráseks abgelegt haben, so glauben auch wir heute an den Sieg des Rechtes über die Gewalt, der Freiheit über die Knechtschaft, der Demokratie über Vorrechte, der Wahrheit über den Irrtum.

Wir stehen neuerlich am Scheidewege der Geschichte. Treu diesem feierlichen Eid verkünden auch wir, Bürger und Bürgerinnen der freien demokratischen Tschechoslowakischen Republik, dass wir die einmal erkämpfte Selbstständigkeit erhalten werden. Unerschütterlich glauben wir, dass auch aus den heutigen Sorgen ein in seinen Freiheiten glückliches Europa hervorgehen wird.«

Das Manifest der tschechischen Geisteswelt ist vollständig dokumentiert in Ulrich Grochtmann (Hg.): Geschichte aus der Nähe. Graphiken aus der ČSR von Josef Čapek u.a. aus der Zeit von 1933-1938, Trafo-Verlag, Berlin.

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