Generalstreik in Guayana

Menschen im französischen Überseedepartement protestieren gegen Ungleichheit

  • Ralf Klingsieck, Paris
  • Lesedauer: 3 Min.

Im französischen Überseedepartement Guayana beginnt am Montag ein unbefristeter Generalstreik, zu dem 37 Gewerkschaften und Organisationen aufgerufen haben. Sie protestieren damit gegen die Vernachlässigung der im Norden von Südamerika an Brasilien und Suriname grenzenden Übersee-Region. Mit einschneidenden Konsequenzen durch den Ausstand wird vor allem in der Verwaltung, den Schulen, dem Handel und dem Gesundheitswesen gerechnet, aber auch bei zahlreichen privaten Betrieben, die schon seit mehr als einer Woche lahmgelegt sind und wo der Generalstreik nicht zuletzt dem Schutz der Streikenden vor diskriminierenden Maßnahmen der Unternehmer dienen soll.

Bereits seit Donnerstag gibt es im gesamten Gebiet mehr als ein Dutzend Straßensperren an großen Kreuzungen, durch die der Verkehr behindert und sogar der geplante Transport einer Ariane-Rakete vom Hafen zur Abschussbasis Kourou verhindert wurde, von wo sie am Dienstag ins All starten sollte. Durch diese öffentliche Aufmerksamkeit erhofft man sich, vier Wochen vor der Präsidentschaftswahl in Frankreich, mehr Aufmerksamkeit in Paris für die Forderungen aus seinem Überseedepartement, das zu den ärmsten des Landes gehört. Wegen der Verkehrsprobleme gibt es bereits ernsthafte Probleme bei der Versorgung der Tankstellen und der Supermärkte, wo sich viele Bewohner des Departements für die bevorstehenden Streiktage mit Vorräten eindecken wollen.

Premierminister Bernard Cazeneuve rief zu »Ruhe und Besonnenheit« auf und hat eine interministerielle Arbeitsgruppe aus Abgeordneten und hohen Beamten unter Leitung des früher in Guayana eingesetzten Präfekten Jean-François Cordet entsandt, um den Dialog mit den Streikenden aufzunehmen.

Albert Dranal, der Generalsekretär der in Guayana führenden Gewerkschaft UTG hat aber bereits erklärt, dass sich die Streikenden dadurch nicht besänftigen lassen und mit der Abordnung nicht zusammentreffen werden. Sie wollen aber auch keine eigene Delegation zu Verhandlungen mit der Regierung nach Paris entsenden, wie das am Sonnabend Überseeministerin Ericka Bareigts vorgeschlagen hatte.

Die hinter dem Generalstreik stehenden 37 Organisationen wollen »keine vorübergehenden Teillösungen« sondern »grundlegende Veränderungen« für das Überseedepartement. Sie verweisen vor allem auf die extrem hohe Arbeitslosigkeit, die mit 22 Prozent doppelt so hoch ist wie im Mutterland und auf die Armut, die jede vierte Familie und 40 Prozent aller Kinder trifft. Hinzu kommen die Mängel im Schulwesen und die vergleichsweise schlechte medizinische Versorgung der Bevölkerung. Die leidet aber auch unter der massiven illegalen Einwanderung aus den südamerikanischen Nachbarländern und der dadurch verschärften Wohnungsnot, sowie unter dem Drogenhandel, hoher Kriminalität und Unsicherheit.

Zu den Organisationen, die zum Generalstreik aufrufen, gehört auch die Organisation der »500 Brüder« des Kollektivs Toukans, einer Art »Bürger-Miliz« aus durchtrainierten, aber unbewaffneten jungen Männern in schwarzer Kleidung und mit Gesichtsmaske, die in den »Problemvierteln« für Ordnung sorgen und Drogenhandel und andere Arten der Kriminalität zurückdrängen. In Französisch-Guayana gab es im vergangenen Jahr 42 Morde, was angesichts der nur 252 000 Einwohner des Departements von der Größe Österreichs einen Rekord für ganz Frankreich und seine Überseegebiete darstellt.

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