We’re fucked

Neues von Depeche Mode

  • Thomas Blum
  • Lesedauer: 3 Min.

You’ve been lied to / You’ve been fed truths / Who’s making your decisions?« Alles klar: Von wem werden wir manipuliert und angelogen? Von der Lügenpresse. Wer trifft die Entscheidungen? Die da oben, die Strippenzieher, Bonzen, Regierungen. Wer sind denn diese Clowns, die da, mit angepappten Marx-Bärten im Gesicht durch ein Schwarzweiß-Video hampelnd, neuerdings einer Art superversimpeltem Linkspopulismus das Wort reden?

Klar, es ist die hierzulande über alle Maßen beliebte, wenn auch in der Vergangenheit nicht gerade als Klassenkampfbrigade in Erscheinung getretene britische Popgruppe Depeche Mode, die soeben ihr neues Album rausgehauen hat, ihr mittlerweile vierzehntes.

»Where’s the revolution?«, fragen unsere drei aus Basildon, dem »Luckenwalde Englands« (»Die Welt«), stammenden und sichtlich gealterten Genossen müde. Und wir haben ja auch keine Antwort darauf. Sie wird sich ein bisserl verspätet haben, die Revolution. Und vielleicht kommt sie ja auch gar nicht. Angesichts der Zumutungen der Gegenwart - von Trump, Le Pen, Erdogan, AfD und einer, wie die Wahlumfragen zeigen, in Europa mehr und mehr verblödenden Bevölkerung bis zu den die totale Barbarisierung des Kapitalismus eifrig vorantreibenden Sozialdemokraten - ist es niemandem zu verübeln, wenn er resigniert.

Der zum neuen und, wie es allenthalben heißt, »politischen« und »düsteren« Album von Depeche Mode bereits vorab veröffentlichte Videoclip mit seinen auf einem Fabrikhof umhermarschierenden und fahnenschwenkenden Tänzern, die wahlweise Weimarer-Republik-Arbeitermützen oder Volksarmee-Uniformkappen tragen, und dem auf einer Kanzel stehenden und wie gewohnt pathetisch fuchtelnden Depeche-Mode-Sänger Dave Gahan kann jedenfalls als das gelten, was es allem Anschein nach ist: als leeres Spiel mit Zeichen und Symbolen.

Was aber nicht schlecht ist, sondern gut. In Zeiten wie den unseren, in denen auch sämtliche einst bedeutsamen Zeichen und Symbole entweder entwertet oder kommerzialisiert wurden, freut man sich ja schon, wenn sie wenigstens gekonnt zu dekorativen Zwecken verwendet werden. Und weil im Pop wichtig ist, dass alles, im Zweifelsfall auch die namenlose, fiktive und inhaltsleere Revolution, gut aussieht und die Oberfläche schön schimmert, ist Depeche Mode kein Vorwurf zu machen. Vielleicht erinnern uns die Bilder ja zumindest daran, dass es eine Geschichte gibt, in deren Lauf Menschen auf etwas gehofft, dafür gekämpft und manchmal auch gewonnen haben. Meistens aber haben sie verloren, da beißt die Maus keinen Faden ab.

Womöglich singt deshalb Martin Gore am Schluss eine von unbehaglichem Grollen und dem üblichen Synthietuckern, -bimmeln und -knallen begleitete schöne Ode an die Hoffnungslosigkeit (»Fail«), mit der er uns an die Niedertracht und Dummheit des Gegenwartsmenschen erinnert: »We’re hopeless / Forget the denying / Our souls are corrupt / Our minds are messed up / Our consciences bankrupt / Oh, we’re fucked.« So ist es, Freunde.

Depeche Mode: »Spirit« (Columbia / Sony)

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