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Netanjahu lässt Treffen mit Gabriel platzen

Israel: Diskussion mit Regierungskritikern stößt auf kein Verständnis / Bundesaußenminister: »Absage keine Katastrophe«

  • Lesedauer: 4 Min.

Update 15 Uhr: Gabriel darf nicht zu Netanjahu durch

Jerusalem. Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hat sein Treffen mit Bundesaußenminister Sigmar Gabriel in Jerusalem am Dienstag platzen lassen. Hintergrund ist eine geplante Diskussionsrunde des SPD-Politikers mit Regierungskritikern, die vor allem den israelischen Siedlungsbau in den palästinensischen Gebieten verurteilen. Der österreichische Bundeskanzler Christian Kern wurde dagegen von Netanjahu empfangen.

Netanjahu hatte bereits in den vergangenen Tagen unter der Hand signalisiert, dass er mit diesem Treffen nicht einverstanden ist. Gabriel verteidigte es dagegen vor der Absage als »ganz normal«. »Das tun wir seit vielen Jahren in vielen Ländern«, sagte er im ZDF-»Morgenmagazin«. Eine Absage wäre aber auch keine »Katastrophe« für ihn. »Das verändert mein Verhältnis zu Israel nicht.«

Seine Gesprächsrunde mit den Regierungskritikern ist weiterhin für den Nachmittag geplant. Unter den Teilnehmern sind die Organisationen Breaking the Silence (Das Schweigen brechen) und Betselem, die sich kritisch mit der israelischen Siedlungspolitik auseinandersetzen.

Wirbel um Treffen Gabriels mit israelischen Menschenrechtlern

Jerusalem. Ein geplantes Treffen von Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) mit Menschenrechtsorganisationen während seines Antrittsbesuchs in Israel sorgt für Wirbel. Das israelische Fernsehen berichtete am Montagabend, Ministerpräsident Benjamin Netanjahu erwäge deswegen eine Absage seines Gesprächs mit Gabriel am Dienstag. Der israelische Sender Kanal 2 meldete, der Regierungschef habe seinen Gast aus Deutschland vor die Wahl gestellt, sich mit den Menschenrechtlern oder mit ihm zu treffen.

Der Außenminister hat seine Diskussionsrunde mit »Vertretern der Zivilgesellschaft« für den Nachmittag in Jerusalem geplant. Unter den Teilnehmern ist die Organisation Breaking the Silence (Das Schweigen brechen), die sich kritisch mit der israelischen Siedlungspolitik auseinandersetzt. Sie stützt sich dabei auf Aussagen von Soldaten und Reservisten über deren Dienst in den Palästinensergebieten. Die Berichte werden anonym veröffentlicht. Auch Betselem ist zu der Gesprächsrunde mit Gabriel eingeladen, eine seit fast 30 Jahren existierende Organisation, die ebenfalls Missstände in den palästinensischen Gebieten anprangert.

Gabriel hat indes die Hoffnung geäußert, dass Netanjahu an dem Treffen festhält. »Wir hören aus den israelischen Medien, dass der israelische Ministerpräsident Netanjahu, den ich übrigens schon sehr häufig getroffen habe, diesen Besuch absagen will, weil wir uns auch mit regierungskritischen Vertretern der israelischen Zivilgesellschaft treffen wollen«, sagte er im ZDF-Morgenmagazin. »Ich kann mir das fast nicht vorstellen, weil es außerordentlich bedauerlich wäre«, fügte Gabriel hinzu. »Es ist ganz normal, dass wir bei Auslandsbesuchen auch mit Vertretern der Zivilgesellschaft sprechen.« Umgekehrt wäre es »undenkbar«, ein Gespräch mit Netanjahu abzusagen, wenn er in Deutschland Regierungskritiker treffen würde.

Im Februar hatte ein Treffen des belgischen Ministerpräsidenten Charles Michel mit den beiden Organisationen zu einem Eklat geführt. Israel bestellte im Anschluss den belgischen Botschafter ein und übermittelte eine Rüge. Netanjahu sprach von einem schwerwiegenden Affront.

Breaking the Silence und andere Menschenrechtler werden in Israel oft als Nestbeschmutzer oder Verräter gebrandmarkt. Israel hat im vergangenen Jahr das umstrittene »Transparenz«-Gesetz erlassen. Danach müssen alle Organisationen in Israel, die mehr als die Hälfte ihres Geldes von ausländischen Regierungen erhalten, dies in allen ihren Veröffentlichungen ausweisen. Kritiker sagen, das Gesetz richtet sich vor allem gegen linke regierungskritische Organisationen.

Die deutsch-israelischen Beziehungen sind ohnehin angespannt. Die Bundesregierung hat das im Februar verabschiedete israelische Gesetz zur rückwirkenden Legalisierung von 4000 Siedlerwohnungen auf palästinensischem Privatland scharf kritisiert. Kurze Zeit später wurden die für Mai geplanten deutsch-israelischen Regierungskonsultationen verschoben - aus Termingründen, wie es hieß. In israelischen Medien wurde aber gemutmaßt, die Verschiebung sei auf die deutsche Verärgerung über das Siedlergesetz zurückzuführen.

Gabriel will nun bei seinem Antrittsbesuch vor allem für eine Wiederbelebung der Friedensgespräche zwischen Israelis und Palästinensern werben. Dazu will er sich in Ramallah auch mit dem palästinensischen Ministerpräsidenten Rami Hamdallah treffen. Präsident Mahmud Abbas ist verhindert. Der SPD-Politiker plädiert für eine »aktive Rolle« Deutschlands bei den Friedensbemühungen, die seit Jahren auf Eis liegen. Die Gespräche zwischen Israelis und Palästinensern scheiterten 2014. Agenturen/nd

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