Kipping: DDR-Sozialisierung kein Grund für rechten Hass

LINKEN-Vorsitzende kritisiert Ergebnis einer Studie zu Rechtsextremismus in Ostdeutschland

  • Lesedauer: 3 Min.

Berlin. Rechtsradikales Gedankengut fällt einer Studie zufolge in Ostdeutschland auf besonders fruchtbaren Boden. Die von der Ostbeauftragten der Bundesregierung, Iris Gleicke (SPD), in Auftrag gegebene Studie komme zu dem Schluss, dass Rechtsradikalismus zwar »nicht ausschließlich« ein ostdeutsches Problem sei - dass er aber befördert werde durch »spezifische regionale Faktoren, die in Ostdeutschland stärker ausgeprägt sind«, wie mehrere Medien vorab berichten.

Zu solchen regionalen Faktoren etwa in Sachsen zähle »die Überhöhung des Eigenen, Sächsischen, Ostdeutschen, Deutschen in Bezug auf die krisenhaft wahrgenommene Aufnahme von Flüchtenden, aber auch auf Migrantinnen im Allgemeinen«, heißt es demnach in der Studie, die am Donnerstag vorgestellt werden soll.

Die Studienautoren vom Göttinger Institut für Demokratieforschung sehen die Wurzeln solcher Einstellungen vor allem in den Erfahrungen der Menschen in der DDR: »Die Sozialisation in einer buchstäblich geschlossenen Gesellschaft wie der DDR kann als ein Faktor für die Erklärung nicht stark genug betont werden«, schreiben sie.

»Ethnozentrische Weltbilder«, die von modernen Rechtsradikalen vertreten werden, seien auch deshalb bei älteren Studienteilnehmern weit verbreitet, »weil die Migrationspolitik der DDR auf genau solchen ethnozentrischen Prinzipien basierte: Völkerfreundschaft ja, aber alle Migrantinnen sind als Gäste zu betrachten«.

Als einen Schwerpunkt rechter Gesinnung identifizieren die Autoren Sachsens Hauptstadt Dresden: »Auffällig ist, dass antiamerikanische Ressentiments sowie das Misstrauen gegen 'den Westen' in der Region Dresden besonders stark verbreitet sind«, schreiben sie. »Die gefühlsmäßige Bindung an Russland und die Ablehnung des US-amerikanischen 'Imperialismus' sind im Raum Dresden historisch gewachsen und überaus stark.«

Allerdings sei Rechtsradikalimus kein reines Ost-Problem, betonen die Autoren. »Es wäre verfehlt, Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit und fremdenfeindliche Übergriffe als ein primär ostdeutsches oder gar vor allem sächsisches Problem zu verorten.« Laut Studie beobachteten die Wissenschaftler eine generelle »Entpolitisierung« in Ostdeutschland. Allerdings gäbe in den Regionen, in denen sich Neonazis breit gemacht haben, auch engagierte Leute, die die Zustände vor Ort nicht hinnehmen würden.

Kipping: Verweise auf DDR-Sozialisierung »völlig überzogen«

Aus den Reihen der Linkspartei gab es scharfe Kritik an der Studie. Die Verweise der Untersuchung auf die Sozialisierung der Ostdeutschen in der DDR seien »völlig überzogen«, sagte LINKEN-Chefin Katja Kipping der Nachrichtenagentur AFP. »Wenngleich nostalgische Attitüden ohne Zweifel mitschwingen, lässt sich daraus beim schlechtesten Willen keine Ursache für einen gesellschaftlichen Rechtsruck momentanen Ausmaßes konstruieren.«

»Weder Österreich, noch Frankreich, noch Finnland, noch Dänemark oder die Niederlande« hätten eine ähnliche jüngere Vergangenheit wie Ostdeutschland aufzuweisen, fügte Kipping hinzu. Trotzdem hätten auch diese Länder »ein enormes Problem mit rechtspopulistischen und fremdenfeindlichen Parteien und Bewegungen«. Das verstärkte Augenmerk auf das Erbe der DDR verschleiere die wirklichen Hintergründe.

»Der Dünger für Fremdenfeindlichkeit, Nationalismus und rechte Gewalt ist der Neoliberalismus, der eine stetig größer werdende Zahl an prekären Lebenssituationen und Existenzängsten produziert«, sagte die LINKEN-Chefin. »All diejenigen Parteien und Personen, die für diese soziale Verunsicherung verantwortlich sind, sollten sich an die eigene Nase fassen.« Agenturen/nd

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