Thai Xhi im Wiesenlabyrinth

Die Kulturelle Landpartie im Wendland hat viel zu bieten - auch eine »Widerstands-Party«

  • Reimar Paul
  • Lesedauer: 3 Min.

»Yoga mit Govinda« in Königshorst, Barfuß-Tanz in Salderatzen, »Xhigung Thai Xhi im Wiesenlabyrinth«? Oder doch lieber eine stille Sitzmeditation in Gühlitz? Schon zum Auftakt am Donnerstag hält die Kulturelle Landpartie im Wendland (Niedersachsen) allerlei Angebote zur körperlichen wie seelischen Entspannung für alltagsgestresste Städter bereit. In Zadrau bietet die »Schule für Medizinpflanzenwissen« einen anderthalbstündigen Spaziergang zur »Kraft der Pflanzen« an. In der »Elbvielharmonie« in Hitzacker gibt es eine Mitmachwerkstatt zur Herstellung »dünnhäutiger Figuren« aus Draht, Blech und Papier.

Die Landpartie findet dieses Jahr zum 28. Mal statt. Mit einer Rekordbeteiligung: Vom Himmelfahrtstag bis zum Pfingstmontag gibt es in mehr als 120 Orten etwa 600 Ausstellungen sowie über 900 Konzerte, Theateraufführungen, Filmpräsentationen, Mitmachaktionen, Vorträge, Lesungen, Führungen und Workshops. Fast 1000 Künstler und Kunsthandwerker sind daran beteiligt. Die Kulturelle Landpartie ist damit der bei weitem größte Veranstaltungszyklus dieser Art in Deutschland.

Das Festival lässt sich dabei nicht aufs Esoterische und Biodynamische reduzieren. Es gibt es auch viel Handfestes zu bestaunen. Nahezu alle Künstler und Kulturschaffenden, die sich in den vergangenen Jahren im Wendland niedergelassen haben, öffnen ihre Werkstätten und Ateliers. Das Publikum kann Malern und Bildhauern in ehemaligen Ställen bei der Arbeit zusehen sowie Theater und Musik auf Höfen und Dorfplätzen erleben.

An den meisten der »Wunde(r)punkte« genannten Ausstellungs- und Veranstaltungsorten werden die Besucher mit selbst gebackenen Kuchen und Spezialitäten aus der Region versorgt. Es gibt fangfrischen Fisch aus Gorleben und Bratwurst vom Wildschwein aus den weitläufigen Wendlandwäldern. Und in Kussebode jeden Tag eine Führung durch die kleine, vom Greenpeace-Mann Mathias Edler betriebene Brauerei, die mit großem Verkaufserfolg das heimische »Wendland-Bräu« herstellt.

Ein beliebter Anlaufpunkt ist das Herrenhaus Salderatzen in dem gleichnamigen kleinen Rundlingsdorf. Auf der Freilichtbühne im Hof treten während der Landpartie Chöre auf. Scheunen fungieren hier als Galerien, Ställe werden zu Ateliers, das »Heuhotel« ist stets komplett ausgebucht. Auf einer Wiese hinterm Haus findet sich aber meistens noch ein Platz zum Zelten.

Bis zu 50 000 Besucher erwarten die Veranstalter bis Pfingstmontag im Wendland. Obwohl in den meisten Orten provisorische Parkplätze ausgewiesen sind, kommt es auf den schmalen Dorfstraßen bisweilen zum Chaos. Dann müssen Clowns mit bunten Staubwedeln zur Verkehrslenkung einschreiten. Schon deshalb empfiehlt es sich dringend, die »Wunde(r)punkte« mit dem Rad abzufahren.

Die Kulturelle Landpartie geht auf die Proteste der Bevölkerung des Landkreises Lüchow-Dannenberg gegen Atomanlagen zurück. Im Februar vor 40 Jahren hatte der damalige niedersächsische Ministerpräsident Ernst Albrecht (CDU) das Dorf im Landkreis Lüchow-Dannenberg als Standort für ein »Nukleares Entsorgungszentrum« benannt und damit massive Proteste ausgelöst. Nach den ersten großen Demonstrationen in Gorleben zogen in den 1970er und 1980er Jahren zahlreiche Kulturschaffende aus Großstädten ins Wendland. Bis heute will die »Kulturelle Landpartie« denn auch nicht nur unterhalten, sondern auch ein politisches Anliegen vermitteln.

»Nicht alle Wege führen nach Gorleben, aber auch kein Weg dran vorbei«, heißt es im »Reisebegleiter«. Zwischen Kräuterwanderungen, Bio-Bratwurst und Handgewebtem geht es immer wieder auch um den Widerstand gegen Atomkraft. Am Freitag vor Pfingsten bleiben viele Ausstellungsorte geschlossen - Veranstalter und Gäste treffen sich stattdessen zu einer »Kulturellen Widerstands-Party« an den Gorlebener Atomanlagen. »Mit diesem Anti-Atom-Festival erinnern wir daran, dass der Atomausstieg in Deutschland nicht unter Dach und Fach ist«, sagt Wolfgang Ehmke von der Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg. »Und Gorleben hat sich als Endlagerstandort noch lange nicht erledigt.«

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