»Für Weiße verboten«

Elsa Koester über Beißreflexe der Pariser Bürgermeisterin gegen ein afrofeministisches Festival

  • Elsa Koester
  • Lesedauer: 4 Min.

Hilfe, die Schwarzen organisieren sich! Und sie wollen die Weißen nicht dabei haben! Zugegeben, ganz so direkt hat es die Bürgermeisterin von Paris nicht formuliert, als sie sich über ein afrofeministisches Festival in Paris echauffierte. Aber wie soll man ihre Tweets sonst verstehen?

»Ich verurteile die Organisierung dieser Veranstaltung in Paris entschieden, die ‚für Weiße verboten ist‘«, twitterte Anne Hidalgo, und: »Ich verlange das Verbot dieses Festivals. Ich werde den Polizeipräfekten damit beauftragen«, und: »Ich behalte mir außerdem das Recht vor, die Initiatoren wegen Diskriminierung zu verfolgen.« Oha. Da ist aber jemand richtig sauer.

Anlass der Tweet-Serie war die Ankündigung des feministischen Mwasi-Kollektivs, bei dem feministischen und antirassistischen »Nyansapo«-Festival Ende Juli in Paris drei von vier Veranstaltungen »nicht gemischt« anzubieten. Das heißt, wie sie auf ihrer Homepage erklären, dass zu diesen Veranstaltungen lediglich Frauen eingeladen werden, die von Rassismus betroffen sind. Nicht nur Schwarze, sondern auch Muslima oder andere »rassisierte«, wie es im Französischen heißt (racisées), auf Twitter aber schnell in »verboten für Weiße« übersetzt wurde. Dass die Front National da Schaum vor dem Mund bekommt, ist klar. Aber warum regt sich eine sozialdemokratische Bürgermeisterin so darüber auf?

Seit den 70ern ist das Treffen von Frauen in eigenen Räumen eine bekannte und bewährte Organisationsform. Ein Grund dafür ist die Erfahrung, dass Frauen sich in Abwesenheit von Männern eher trauen, über Übergriffe und Diskriminierung offen zu sprechen. Und zwar weil es die Erfahrung gibt, dass Männer sich sonst einmischen, Diskriminierungen abstreiten oder relativieren, sich verteidigen. Ein anderer ist der, dass Männer meistens nicht so erfreut über die Strategien gegen Geschlechterungleichheit sind, die Frauen erarbeiten. Privilegierte leisten in Sachen Abgabe von Privilegien meist keinen vorauseilenden Gehorsam. Kurzum: Menschen, die von einem bestimmten gesellschaftlichen Problem betroffen sind, brauchen Räume, um sich über dieses Problem auszutauschen.

Es geht ja nicht darum, dass sich das Mwasi-Kollektiv für die Rassentrennung einsetzen würde. Wie Sihame Assbague und Fania Noël aus dem Mwasi-Kollektiv sagen: Die nicht-gemischten Treffen sind »kein Lebensprojekt«.

Ein Beispiel. Nehmen wir an, auf einem Kongress über neue Elternschaften gäbe es einen Workshop über die Probleme alleinerziehender Väter. Themen: Mangelnde Anerkennung ihrer Hausarbeit, keine Karriereperspektiven im Beruf wegen Teilzeit, gekränkte Männlichkeit. Und daran sollen nur Väter teilnehmen. Würde die Bürgermeisterin von Paris da auch mit einer Klage drohen?

Wer weiß. Mein Tipp wäre, dass wir es zwar gewohnt sind, dass weiße Männer sich Räume nehmen, aber nicht, dass es schwarze Frauen tun. Dass wir nicht gewöhnt sind, dass Schwarze einfach mal über sich sprechen wollen, ohne sich Weißen dabei erklären zu müssen.

Denn das passiert nun wieder. Die Afrofeministinnen von Mwasi müssen erklären, dass sie sich in privaten Räumen treffen und nur das gemischte Treffen in dem Gebäude stattfindet, das der Stadt Paris gehört. Sie müssen erklären, dass sie sich über die schwarze Community in Europa austauschen wollen, über feministische Kämpfe und Sorgearbeit, über Strategien der Dekolonisierung. Sie sind gezwungen, sich mit weißer Kritik an ihren Räumen auseinanderzusetzen statt mit der Vorbereitung ihrer Debatten.

Ich habe einen Vorschlag: Wenn es für einige Menschen, die nicht von Rassismus betroffen sind, einfach nicht auszuhalten ist, nicht zu den drei Veranstaltungen zu gehen, wenn ihnen derart langweilig ist, dann können sie sich in der Zeit ja mal mit Critical Whiteness beschäftigen: mit einer kritischen Reflexion jener Privilegien, die mit der weißen Hautfarbe einhergehen. Mit der Frage, warum Weiße so empört sind, wenn sie mal nicht mitmachen können. Und warum sie meist in der Machtposition sind, etwas gegen ihren Ausschluss zu tun, wie die Bürgermeisterin von Paris.

Die nicht-gemischten Veranstaltungen des Festivals finden übrigens in einem Frauenhaus statt. Ist es auch eine Diskriminierung, dass Männer hier keinen Zutritt haben?

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