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Abgewählt

Personalie

  • Wolf H. Wagner, Florenz
  • Lesedauer: 2 Min.

Sie ist die bekannteste Bürgermeisterin Italiens. Nein, sie war es. Denn am Sonntag wurde Giuseppina »Giusy« Nicolini abgewählt. Bei den Gemeindewahlen auf Lampedusa erlangte die UNESCO-Friedenspreisträgerin nur den dritten Platz. Es ist eine herbe Absage, die die Einwohner der kleinen Mittelmeerinsel der Bürgermeisterin erteilten. Giusy Nicolini erreichte nur 908 Wähler und scheidet damit aus dem Gemeinderat aus. Ihr Nachfolger wird Salvatore »Toto« Martello, der vor 16 Jahren schon einmal Bürgermeister war.

Nicolini habe sich zu sehr um die Aufnahme der Bootsflüchtlinge und weniger um die eigentlichen Belange der Inselbewohner gekümmert, heißt es auf Lampedusa. Bereits mit 22 zur stellvertretende Bürgermeisterin gewählt, ist Nicolini vor allem durch ihre Kritik an der EU-Flüchtlingspolitik bekannt geworden. So sagte sie einmal: »Ich bin mehr und mehr davon überzeugt, dass die europäische Einwanderungspolitik den Tod dieser Menschen in Kauf nimmt, um die Migrationsflüsse einzudämmen.«

Zwar erlangte Nicolini die Anerkennung des Papstes und des Ex-Premiers Renzi, der sie als Dank für ihr Engagement zum Abschiedsdinner Barack Obamas ins Weiße Haus mitnahm. Doch Rom ist weit und die Lampeduser fühlten sich außerhalb des verbalen Lobes allein gelassen. Die Insel lebt unter anderem vom Tourismus, der bei der lang anhaltenden Migrationswelle jedoch deutlich zurückging. Dass dies den neuen, nach vielen Jahren wieder ins Amt geholten Bürgermeister Martello stört, liegt auf der Hand: Er ist nicht nur Direktor des ansässigen Fischfangunternehmens, sondern auch Besitzer mehrerer Hotels auf der Insel. Die Wähler des neuen Bürgermeisters erwarten einen deutlich schärferen Kurs in der Flüchtlingsfrage.

Für die scheidende Giusy Nicolini bleibt nur, ihren Arbeitsplatz zu räumen, den Computer von privaten und halbprivaten Dateien zu bereinigen sowie Akten und Korrespondenzen an sich zu nehmen, die möglicherweise im Nachspiel falsch gegen sie ausgelegt werden können.

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