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Sie nannten ihn Che Schnee

  • Andreas Gläser
  • Lesedauer: 3 Min.

Einer meiner langjährigen Kumpels dreht vielleicht Dinger! Und das nicht nur, wenn es um die Wetten beim Fußballtoto geht, wo er unterm Strich wohl ein kapitales Minus fabriziert. Aber das kann er sich leisten, spätestens seitdem er intensiv Backgammon spielt. In seinem Heimatkiez sind ihm schnell die Gegner ausgegangen, selbst wenn es bei den Einsätzen um Klimpergeld ging. Nun tritt er öfter auf internationalem Terrain um einige Zehntausend Euro an. Das ist schon beeindruckend, wie er sich als Vierzigjähriger in diese Szene in Rekordzeit hineinstudierte und das Feld von hinten aufrollte. Das wäre beim Schach nicht möglich, als Volkssportler im fortgeschrittenen Alter mal eben die aktuellen Großmeister zu überholen. Guter Kumpel, krasser Typ. Doch mehr als die Preisgelder auf den sonnigen Inseln interessiert ihn die beruhigende Tatsache, nicht mehr lohnabhängig zu sein. Karren, Koks und Kemenaten bleiben Bullshit. Die Hauptsache ist, eine Wette am Laufen zu haben. Es muss kribbeln.

Mein unscheinbarer Kumpel sah zwischenzeitlich ziemlich wild aus, mit langen Haaren und fusseligem Bart, zumindest auf dem Zeitungsfoto, wo er in Handschellen abgeführt wird. Obwohl er sich dank seines Naturells auch auf dem dortigen Flughafen höflich verhalten haben wird. Doch die hübschen Haschischhunde haben angeschlagen. Dabei sind drei Gramm Schmunzelstaub für den Eigenbedarf kein Problem, zumindest im Landesinneren. Aber während des Grenzübertritts hat das den Charme, als packe man einem Schulkind eine Schnapsflasche in die Mappe.

Zwei resolut auftretende Einheimische in lustigen Uniformen führten unseren Schmuggler nach allen Regeln des Fair Play ab und nannten ihn vertrauensvoll Che Schnee. Sie gaben ihm den Tipp, sich vor dem Antritt der Untersuchungshaft die Haare kürzen zu lassen, damit er in der Zelle mehr Ruhe vor den anderen Gefangenen habe. Sehr umsichtig, diese Ausländer. Nun sitzt er in dem schönen Land, aber nicht am Strand, sondern in einer Zelle, und kehrt zurück zu seinen Wurzeln. Er übermittelt seine aktuellen Fußballtipps übers Taschentelefon, will kein Geld liegen lassen, der Typ. Seine Genossen vom Backgammon dürften froh sein, einen harten Knochen weniger unter sich zu wissen. Es sollte um 20 Riesen fürs Steinchenschieben gehen. Doch nun heißt es, außer Spesen nix gewesen; wegen ein bisschen Dreck unter den Nägeln.

Er muss einen einheimischen Juristen auf seine Seite kriegen, der sich mit den sprachlichen Scharmützeln dort auskennt. Das scheint schwieriger zu sein, als die voraussichtlichen Fußballresultate nach Berlin zu übermitteln. Und die fröhlichen Vertreter unserer bedeutenden Haschischrepublik dort, die können nichts machen. Alles zu geringfügig, abwarten. Ich sehe schon ein oder zwei Kumpels hinfliegen, um einen Anwalt klarzumachen. Geld spielt keine Rolle, eine Brise bezahlter Urlaub kommt nebenbei herum.

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