Lenin kam bis nach Gundelfingen

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Mit Denkmälern ist das so eine Sache. Sie regen eher selten zum Denken an, vielleicht noch zum Gedenken, aber das war’s dann schon. Nebenstehendes Denkmal zeigt überlebensgroß den russischen Revolutionsführer und Gründer der Sowjetunion, Wladimir Iljitsch Uljanow, genannt Lenin (der mit dem blanken Schädel rechts neben dem Herrn mit Käppi - Ernst Thälmann genannt). Das Monument stand von 1974 an auf einem Platz in der Nähe des Hauptbahnhofs in Dresden. Der Legende nach nannte der sogenannte Volksmund das Denkmal »Rote Bahnhofsvorsteher«, was wohl eine Anspielung auf das Lenin zugeschriebene Bonmot sein sollte, die Deutschen würden, bevor sie einen Bahnhof stürmen, sich erst eine Bahnsteigkarte kaufen. 1992 wurde das Denkmal - der Platz hieß jetzt nicht mehr nach Lenin - sondern wieder nach der Stadt Wien, demontiert und einem gewissen Josef Kurz übergeben. Der betrieb im schwäbischen Gundelfingen eine Grabstein(!)fabrik und wollte auf seinem Firmengelände einen Skulpturenpark mit sozialistischen Denkmälern errichten. Geschichte kann so herrlich ironisch sein: der Vorort zum Friedhof als letzte Ruhestätte sozialistischer Staatsmänner und Politiker!

Dazu ist es nicht gekommen, denn Kurz verstarb 1995. An diesem Samstag, dem 17. Juni, der zufällig - die Älteren unter uns erinnern sich noch - bis 1990 ein gesetzlicher Feiertag in der BRD war, mit dem an Bürgerunruhen in der DDR erinnert wurde, bei denen die beteiligten Ostdeutschen nachgewiesenermaßen sich keine Bahnsteigkarte vorher kauften, an diesem Tag also, soll das Standbild, auf dem neben dem KPD-Vorsitzenden Thälmann und Sowjetführer Lenin noch der Sozialdemokrat Rudolf Breitscheid (1944 im KZ Buchenwald gestorben) die zum Bahnhof Eilenden grüßte, zusammen mit anderen Exponaten aus der Kurz-Sammlung in Gundelfingen versteigert werden. Das Mindestgebot liegt bei 150 000 Euro. Das Denkmal existiert jedoch nicht mehr in einem Stück; nur die Oberkörper der drei Bahnhofsvorsteher sind noch erhalten.

Einige Tage lang wurde darüber spekuliert, ob die Stadt Dresden bei der Versteigerung mitbieten werde, doch Kulturbürgermeisterin Annekatrin Klepsch (Linkspartei) erklärte am Donnerstag, dass der Stadt hierfür das Geld fehle. Vielleicht war ja die Bahnsteigkarte zu teuer. jam Foto: dpa/Thomas Lehmann

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