Störfeuer vor Syrien-Gesprächen
Selbstmordattenat in Damaskus fordert mehrere Tote / Neue Runden in Astana und Genf
Wie bisher immer vor wichtigen internationalen Syrien-Gesprächen hat auch dieses Mal das Störfeuer in und um Syrien deutlich zugenommen. Am frühen Sonntagmorgen explodierte ein Fahrzeug unweit des Bab Touma-Platzes, im Osten der Damaszener Altstadt. Anwohner berichteten gegenüber »nd«, sie hätten um 6 Uhr früh die Explosion gehört. Syrischen Medien zufolge soll das Fahrzeug von einem Selbstmordattentäter gesteuert worden und - nach einem Schusswechsel - explodiert sein. Zwei weitere Sprengstofffahrzeuge seien auf der Flughafenautobahn südöstlich der Altstadt, unweit des Bab Scharki Tors gestoppt und kontrolliert gesprengt worden. Mindestens 20 Personen wurden getötet.
Die Astana-Gespräche über die Einrichtung von De-Eskalationsgebieten für bewaffnete Gruppen in Syrien werden am 4. und 5. Juli in Kasachstan fortgesetzt. Das ursprünglich für Anfang Juni geplante Treffen ist das fünfte dieser Art und soll sowohl eine militärische Deeskalation als auch die Grundlage für einen politischen Verhandlungsprozess in Syrien bilden.
Beauftragte der Garantiemächte Russland, Iran und Türkei werden sich bereits einen Tag zuvor treffen. Konkret geht es um die Markierung der Deeskalationsgebiete, für deren Kontrolle innerhalb und außerhalb ein Koordinationszentrum eingerichtet werden soll. Eine gemeinsame Erklärung zur »humanitären Minenräumung der historischen Stätten Syriens« ist in Arbeit. Das betrifft auch Orte, die auf der UNESCO-Liste des Weltkulturerbes stehen. Eine gemeinsame Arbeitsgruppe soll eingerichtet werden, die das Schicksal von Vermissten recherchieren, die Übergabe von Toten und die Freilassung weiterer Gefangener und Geiseln vorbereiten soll. Die syrische Regierung hatte zu Beginn des Eid al-Fitr Festes am Ende des muslimischen Fastenmonats Ramadan mehr als 600 Gefangene freigelassen.
Der russische Verteidigungsminister Sergei Shoigu erklärte in Moskau, die Garantiemächte hätten sich auf die Bildung eines »Nationalen Versöhnungskomitees« in Syrien geeinigt. Er erwarte einen weiteren, deutlichen Rückgang der militärischen Auseinandersetzungen und der Gewalt in Syrien, wo seit Ende Dezember 2016 ein Waffenstillstand weitgehend eingehalten wird.
Ungeachtet von Astana werden die Genfer Gespräche auf Einladung des UN-Sondervermittlers für Syrien Staffan De Mistura am 10. Juli fortgesetzt. Obwohl die im Krieg in Syrien involvierten Regionalmächte Iran und Türkei sowie ein Teil der bewaffneten Gruppen und die syrische Regierung dem Deeskalationsprozess zugestimmt haben, hängt der Erfolg nicht zuletzt von verbindlichen Vereinbarungen zwischen den Großmächten Russland und USA ab. Eine Möglichkeit dafür wäre das Treffen zwischen den Präsidenten Wladimir Putin und Donald Trump am Rande des G20-Treffens in Hamburg.
Nachdem die Nachrichtenagentur Reuters aus einem nicht-öffentlichen Bericht der UN-Organisation zum Schutz vor Chemiewaffen (OPCW) zitierte, wonach in Khan Sheikhoun Anfang April 2017 Sarin oder ein Sarin-ähnliches Gift eingesetzt worden sein soll, beschuldigte die US-Administration die syrische Regierung erneut, dafür verantwortlich zu sein. Washington warnte zudem, man wisse von Vorbereitungen der syrischen Regierung, erneut Giftgas einsetzen zu wollen. Sollte das geschehen, werde Damaskus einen »hohen Preis bezahlen«. Kurz darauf hieß es aus Kreisen von »Aktivisten«, die syrische Armee habe Chlorgas in Ain Tarma, östlich von Damaskus, eingesetzt. Das wurde sowohl von Damaskus als auch von Moskau als »falsch und gegenstandslos« zurückgewiesen. Beide Regierungen kritisierten auch den OPCW-Bericht als unglaubwürdig, der auf Augenzeugenberichten und Zweitquellen basiert. Aus Sicherheitsgründen waren OPCW-Inspektoren nicht selber nach Khan Sheikhoun gefahren. Der Ort wird von der Nusra Front kontrolliert.
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