Exotik der Pizzaiola

Die Schauspielerin Gina Lollobrigida wird 90

  • Hans-Dieter Schütt
  • Lesedauer: 2 Min.

Es war die geile Zeit, da »Weib« noch nicht auf dem Index der Tanten stand - der Militanten, genauer: der Militantinnen, die so unnötig heftig den Eindruck schüren, Feministin sei ein richtigeres Wort als Frau. Gina Lollobrigida war - neben der Loren - das Weib schlechthin. »Liebe, Brot und Fantasie« und »Liebe, Brot und Eifersucht«. Die Commedia dell’Arte stieg mit der Romanze ins Bett. Das Bett knarrte nicht, es tanzte. Die Lollobrigida und der Schnurrbart-Galan Vittorio de Sica, also dieser gockelnde Polizist Carotenuto und die feurige Pizzicarella - sie verkörperten in den genannten Filmen Luigi Comencinis, was man sich in der DDR-Provinz unter Italien vorstellte.

In diesen Filmen flatterte Wäsche; die Welt war ein Hinterhof, und Lebenskraft hatte mit Lautstärke zu tun. Es war in den fünfziger Jahren, ich habe noch die Filmprogramme zu den erwähnten Streifen. Da steht übersetzt, was eine Pizzaiola ist: eine Pizzabäckerin. Der notwendigen Erklärungen nicht genug: pizza = italienisches Nationalgericht. Aha. Was das wohl konkret sein mochte? Keine Ahnung damals, im Ost-Nationalpark, aber: Von einer Sache keine Ahnung zu haben, steigert bekanntlich deren Exotik. Die Lollobrigida war ein Vamp. Alberto Moravia verwies auf die Ähnlichkeit mit Raffaels »Fornarina« und schrieb ihr einen Brief: »Von deinem Gesicht kann man geradenwegs über die Renaissance bis zu den Römern zurückgehen, bis zur Villa dei Misteri in Pompeji, bis zu den griechischen Vasen der mykenischen Epoche.«

Die 1927 bei Rom Geborene drehte bei Carlo Lizzani (»Achtung! Bandit!«), bei Christian-Jacque (»Fanfan, der Husar«, mit Gérard Philipe), bei René Clair (»Die Schönen der Nacht«), bei Jean Delannoy (»Der Glöckner von Notre Dame«, mit Anthony Quinn). Italiens Waffe gegen die Sexbombenwucht Hollywoods. Sie war die Anne von Brooklyn, die Königin von Saba, die kaiserliche Venus, die schöne Ippolita, die Strohpuppe, die italienische Geliebte, die schönste Frau der Welt. Ihr Bildband »Mein Italien« wurde ein Welterfolg. 1986 war sie Jurypräsidentin der Berlinale - Reinhard Hauffs und Stefan Aust »Stammheim« erhielt den Goldenen Bären, die Lollobrigida kommentierte auf der Gala, für jedermann sichtbar, mit eiserner Miene ihre Abscheu über diese Auszeichnung. Sie verletzte damit ein Grundgesetz der Juroren: Verschwiegenheit. Ein Eklat. Unintelligent. Es wirkte zudem wie der Antrag einer Schwarzhaarigen, gefälligst auch Objekt von Blondinenwitzen sein zu dürfen.

Sie war schön, aber auf der Leinwand nie zu schön, um als wahr zu gelten. An diesem Dienstag wird Gina Lollobrigida, eine der populärsten, attraktivsten Kinospielerinnen des 20. Jahrhunderts, 90 Jahre alt.

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