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Buhlen um Macron

SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz betont Gemeinsamkeiten mit Frankreichs Staatschef

  • Aert van Riel
  • Lesedauer: 4 Min.

Wahlkampf macht man nicht nur im eigenen Land. Der Kanzlerkandidat und Vorsitzende der SPD, Martin Schulz, wurde am Donnerstagabend im Pariser Elysée-Palast von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron empfangen. Nach drei Niederlagen seiner eigenen Partei bei Landtagswahlen konnte sich Schulz endlich einmal an der Seite eines Wahlsiegers zeigen, den er auch noch als seinen »Freund« bezeichnen durfte.

Schulz sieht sich als idealen Partner des jungen französischen Staatschefs. Nach dem eineinhalbstündigen Treffen machte Schulz »immense Übereinstimmungen« mit Macron aus. »Deutschland und Frankreich müssen Schulter an Schulter vorangehen«, verkündete der Sozialdemokrat. Der SPD-Kandidat befürwortete die Ideen seines Gastgebers, die Eurozone mit einem zusätzlichen Budget und einem »europäischen Finanzminister« zu vertiefen.

Das Problem von Schulz ist allerdings, dass er sich bei diesem Thema nicht deutlich von seiner Konkurrentin, Bundeskanzlerin Angela Merkel, abgrenzen kann. Die CDU-Chefin und Macron haben sich bei ihren Treffen in den vergangenen Wochen immer besser verstanden. Die Kanzlerin ist grundsätzlich ebenfalls für eine Reform der Eurozone. Darüber will sie mit ihren europäischen Partnern nach der Bundestagswahl verhandeln.

Macron will, dass Deutschland mehr investiert, damit das Wachstum in der EU insgesamt angekurbelt wird. Zudem beklagte der Franzose jüngst, dass ein »wirtschaftliches und kommerzielles Ungleichgewicht zwischen Deutschland und seinen Nachbarn« herrsche. Er fordert, dass sich die Verhältnisse angleichen. Das dürfte allerdings nur dann gelingen, wenn die Bundesrepublik ihren Exportüberschuss durch Stärkung der Binnennachfrage abbauen würde. Mit Schulz oder Merkel wäre das schwer vorstellbar.

Der SPD-Anwärter schwadroniert zwar oft über große staatliche Investitionen, aber er wird vorsichtig, wenn es um Details geht. Deutliche Steuererhöhungen für Vermögende und Spitzenverdiener lehnt Schulz ab. Allein deswegen sind seinen Plänen deutliche Grenzen gesetzt. Das gilt auch, wenn es darum geht, mehr Geld in die Europäische Union zu stecken. Die Vergemeinschaftung von Schulden durch gemeinsame Anleihen, sogenannte Eurobonds, nimmt in der SPD seit ein paar Jahren niemand mehr in den Mund. Macron hatte sich die Einführung von Eurobonds im Wahlkampf offen gelassen und ist nun hiervon abgerückt.

In der Eurozone kann sich Schulz immerhin einen »Investitionshaushalt« vorstellen. Ziel sei es, dadurch die gemeinsame Währung zu stabilisieren. In den EU-Haushalt sollten die Bundesrepublik und Frankreich mehr einzahlen, so Schulz wolkig. Das liege auch daran, dass Geld fehlen wird, wenn Großbritannien die Europäische Union voraussichtlich in zwei Jahren verlassen wird. Wer mehr zahlt, soll den anderen EU-Staaten auch mehr Vorgaben machen können. So drohte Schulz ähnlich wie Macron den Osteuropäern mit Strafen, wenn sie weiterhin so wenige Flüchtlinge wie bisher aufnehmen.

Die Reise von Schulz diente nicht nur den inhaltlichen Diskussionen über die Zukunft der EU, sondern sie war für den Anwärter der SPD auch von großer symbolischer Bedeutung. Er wäre gerne wie Macron. Einige Parallelen zwischen den beiden Politikern sind tatsächlich unübersehbar. Ebenso wie heute Schulz galt auch der Franzose im Wahlkampf lange als Außenseiter. Beide sind von ihrem politischen Wesen her Großkoalitionäre und stammen aus dem konservativen Flügel der Sozialdemokratie. Im Wahlkampf hatte sich Macron positiv auf die EU bezogen. Gleiches plant Schulz, der vor wenigen Monaten noch Präsident des Europäischen Parlaments war.

Der Wahlsieg von Macron und seiner Bewegung in diesem Jahr lässt sich allerdings vor allem dadurch erklären, dass er den Reiz des Neuen verkörpert. Seine neoliberale Bewegung und Partei »La République en Marche« ist auf den Trümmern etablierter Parteien, darunter die der Sozialisten, entstanden. Als warnendes Beispiel für ihre eigene Zukunft sieht die SPD-Führung den Niedergang ihrer französischen Schwesterpartei, die im Streit über die »Arbeitsmarktreformen« ihrer Parteiführung zerbrochen war, offenbar aber nicht. Dass diese Politik, die dazu dient, Kosten der Unternehmen zulasten der Beschäftigten zu senken, nun von Macron mit Angriffen auf den Kündigungsschutz und die 35-Stunden-Woche fortgesetzt wird, beobachten führende SPD-Politiker sogar mit Wohlwollen. Macron habe sich »ein wirklich umfassendes Reformprogramm vorgenommen«, erklärte Schulz. »Ich glaube nicht, dass er von mir Ratschläge braucht.«

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