Bartsch: Das waren nur Scheingefechte

Linksfraktionschef nennt TV-Duell »großkoalitionäres Therapiegespräch« / Grüne: Von Schulz kamen keine Impulse

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Berlin. Nach dem sogenannten TV-Duell zwischen Kanzlerin und SPD-Chef machen die unterschiedlichsten Bewertungen der Debatte zwischen Angela Merkel und Martin Schulz die Runde. Die Opposition hat nach diesem Fernsehabend vor allem Kritik übrig.

Linksfraktionschef Dietmar Bartsch sprach von einem »großkoalitionären Therapiegespräch«. Schulz habe »sich nicht von der Union abgesetzt«, Bartsch warf Schulz vor, nach der Bundestagswahl eine Fortsetzung von Schwarz-Rot als Juniorpartner mittragen zu wollen. Zudem habe er sich nur deshalb für einen Stopp der EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei ausgesprochen zu haben, weil dies populär sei. Über Alters- und Kinderarmut in Deutschland sei gar nicht gesprochen worden.

»Ich habe immer wieder zum Volleyballspiel Deutschland gegen Russland geschaltet, das war auf jeden Fall deutlich spannender«, sagte Bartsch. Für ihn ändere sich für die letzte Phase des Wahlkampfs durch das Duell nichts, sagte Bartsch. Das Motto laute: »Stimmenmaximierung - denn soziale Gerechtigkeit hat eine Adresse: die Linke.«

Linkspartei-Chefin Katja Kipping sagte am Morgen danach, »die wirklichen Gewinner waren die Rechtspopulisten und die Kapitalseite.« »Themen, von denen ich weiß, aus dem direkten Gespräch mit Menschen, die wirklich die Leute umtreiben, sind so gut wie gar nicht vorgekommen.« Dazu gehöre etwa der Personalmangel sowie der Stress in der Pflege. Über Flüchtlinge sei zudem immer nur als Problem gesprochen worden. »Und auch wichtige Zukunftsthemen wie Bildung oder Klimaschutz kamen nicht vor und das ist wirklich enttäuschend«, kritisierte Kipping.

Ähnlich äußerte sich Linksparteichef Bernd Riexinger. Er beklagte, dass sozialpolitische Themen kaum zur Sprache gekommen seien. Vor dem TV-Duell hatte er den SPD-Kandidaten aufgefordert, einer Fortsetzung der Regierung mit der Union eine klare Absage zu erteilen. »Wenn Martin Schulz noch eine Chance haben will, den Wind im Wahlkampf zu drehen, muss er im Kanzler-Duell Farbe bekennen und eine Beteiligung der SPD an einer großen Koalition definitiv ausschließen«, so Riexinger - dies geschah dann nicht. Schulz eierte bei der entsprechenden Frage herum und wich aus.

Die Grünen kritisierten, Schulz habe keine Ideen für die Zukunft gehabt. »Dass von Merkel keine Dynamik für Veränderung kommt, war zu erwarten, aber auch von Martin Schulz kamen keine Impulse für einen echten sozialen und ökologischen Wandel in diesen dramatischen Zeiten«, sagte Grünen-Spitzenkandidatin Katrin Göring-Eckardt der dpa.

FDP-Chef Christian Lindner kritisierte, es sei eher um Vergangenheitsbewältigung und nicht um die Zukunft des Landes gegangen. »Das Duell erinnerte an Szenen einer alten Ehe, in der es mal knirscht, aber beide Seiten wissen, dass man auch künftig miteinander muss«, sagte Lindner der dpa. »Jeder weiß, dass Frau Merkel Kanzlerin bleibt, das Rennen um die Plätze 1 und 2 ist gelaufen. Das Rennen um Platz 3 gewinnt dadurch weiter an Bedeutung.«

Unionsfraktionschef Volker Kauder sieht die Wahl am 24. September dagegen noch längst nicht entschieden - auch wenn Merkel nach Umfragen das TV-Duell am Sonntagabend für sich entschied. CDU und CSU gingen nun mit großer Zuversicht in den Schlussspurt, sagte Kauder der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. Er mahnte jedoch: »Wir wissen aber auch: Die Wahl wird nicht in einem TV-Duell entschieden.«

Bundesjustizminister Heiko Maas sagte der dpa, der Auftritt von Schulz habe der SPD Mut gemacht. »Martin Schulz und der gesamten SPD wird das Duell Rückenwind geben.« Schulz sei überzeugend, souverän und leidenschaftlich gewesen, erklärte der SPD-Politiker. Ein schlichtes »Weiter so« der Kanzlerin reiche nicht.

Am Montagabend gibt es in der ARD einen »Fünfkampf« mit den Spitzenkandidaten von Linkspartei (Sahra Wagenknecht), CSU (Joachim Herrmann), Grünen (Cem Özdemir), FDP (Christian Lindner) und AfD (Alice Weidel).

Der Medienwissenschaftler Bernd Gäbler hält das Format des TV-Duells für überholt. »Die Sendung war leblos und frei von jeder Überraschung.« Fast alle wichtigen Zukunftsfragen, vor denen Deutschland stehe, seien ausgeklammert worden. »Die Sendung war mehr Parallelslalom als Duell«, sagte Gäbler der dpa. »In diesem Nebeneinander demonstrierten die Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihr Herausforderer Martin Schulz inhaltlich eigentlich nur, dass eine große Koalition jederzeit wieder möglich ist.«

Frank Brettschneider, Kommunikationswissenschaftler an der Universität Stuttgart-Hohenheim, sagte dem »Handelsblatt« (Montag): »Viele Gemeinsamkeiten, wenig Unterschiede. Bestimmt nicht der Start für eine Aufholjagd von Martin Schulz.« Der Politikberater Michael Spreng sagte, Schulz habe bei einigen Themen punkten können, etwa bei Maut, Türkei und Rente. »Aber diese Punkte waren nicht so stark, dass jetzt die Umfragen in die Höhe schießen«, sagte der frühere Berater des ehemaligen Unions-Kanzlerkandidaten Edmund Stoiber (CSU).

In Blitzumfragen von ARD und ZDF lag Merkel am Sonntagabend vorn. Allerdings waren die Zahlen der Umfrageinstitute infratest dimap und der Forschungsgruppe Wahlen sehr unterschiedlich. Nach ARD-Angaben lag Merkel mit 55 zu 35 Prozent klar vorne. Im ZDF war es viel knapper: Hier kam die Kanzlerin auf 32 Prozent Zustimmung, Schulz auf 29 Prozent. 39 Prozent der Befragten waren unentschieden. Die Forschungsgruppe sprach sogar von einem »Patt«. Dagegen hieß es in der ARD, Merkel sei in ihren drei TV-Duellen als Kanzlerin noch nie so klar vorn gewesen. Agenturen/nd

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