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Linkspartei könnte Weils Chefsessel retten

Drei Wochen vor der Landtagswahl in Niedersachsen wird im Land über »Jamaika«, aber auch über Rot-Rot-Grün spekuliert

  • Hagen Jung
  • Lesedauer: 4 Min.

Auf und ab fährt der Kleisterpinsel über den noch recht optimistisch dreinschauenden Martin Schulz, wenige Augenblicke später ist der SPD-Kanzlerkandidat unter seinem Genossen Stephan Weil verschwunden. Seit dem Umplakatieren, das vielerorts in Niedersachsen am Sonntagabend gleich nach den ersten Hochrechnungen begann, wirbt der Hannoveraner mit dem Slogan »Sturmfest und Stark« großflächig um Stimmen für die Sozialdemokraten bei der Landtagswahl.

Ein Motto zum Mut machen, besingen sich doch die Niedersachsen in ihrer Hymne seit nahezu 100 Jahren als »sturmfest und erdverwachsen«. Doch auch wenn er sich jetzt so präsentiert, muss Weil damit rechnen, dass er nach dem 15. Oktober vom Regierungssessel gefegt wird. Jüngste Umfrageergebnisse lassen eine erneute rot-grüne Koalition eher zur Wunschvorstellung der Partner verblassen. Mit 32 Prozent müssten sich demnach die Sozialdemokraten, mit 10 Prozent die Grünen bescheiden.

Weitaus schlimmer als diese Zahlen ist für die SPD das Ergebnis, das sie in Niedersachsen bei der Bundestagswahl davontrug. Es müsste ihre Hoffnung auf einen Erfolg bei der Landtagswahl immens dämpfen. Nur 27,4 Prozent der Wählerstimmen gingen am Sonntag im zweitgrößten Bundesland an die Sozialdemokraten. Das sind 5,6 Prozentpunkte weniger als bei der Bundestagswahl 2013. Doch Stephan Weil gibt sich am Montag sturmfest, sieht in diesem Verlust kein böses Menetekel für die Niedersachsenwahl. Bei ihr sei »das Rennen offen«, bekundete er gegenüber NDR und prophezeite: »In drei Wochen werden wir uns unter anderen Bedingungen wiedersehen.«

Das dürfte in jedem Fall zutreffen - fragt sich nur, wer dann in einer Rolle ist, in der er »Bedingungen« stellen kann. Womöglich Weils Herausforderer Bernd Althusmann. Hat doch seine Partei, die CDU, auch in Niedersachsen die meisten Stimmen bei der Bundestagswahl bekommen: 34,9 Prozent. Das sind zwar ebenfalls 6,1 Prozentpunkte weniger als 2013, dennoch fühlt sich der Spitzenkandidat »mutig und entschlossen« und hofft, dass die Union bis zum 15. Oktober »noch ein bisschen zulegen kann«.

Doch auch wenn seine Partei die 37 Prozent erreichen sollte, die ihr die jüngste Umfrage verheißt, würde das nicht zum Wiederaufleben der bis 2013 regierenden schwarz-grünen Koalition reichen. Die Umfrage zur Landtagswahl sagt der FDP 6 Prozent voraus, bei der Bundestagswahl jetzt wurden ihr in Niedersachsen 9,3 Prozent zuteil. Eine Große Koalition wird wiederum von Stephan Weil als »extrem unwahrscheinlich« zurückgewiesen. »Das Verhältnis zwischen SPD und CDU in Niedersachsen ist einigermaßen belastet«, beendet der Noch-Ministerpräsident Debatten darüber. Definitiv ausschließen möchte er ein solches Bündnis aber nicht.

Bliebe »Jamaika« - doch ob die niedersächsischen Grünen der CDU und den Liberalen ein willkommener Partner wären, darf bezweifelt werden. Althusmann störte sich unlängst an einem »Linksruck«, den er bei der Ökopartei ausmachte. Der Generalsekretär der Niedersachsen-FDP, Gero Hocker, sieht offenbar ebenfalls Hemmnisse für ein Zusammenwirken. So sei die Grünen-Forderung nach einem Aus für Verbrennungsmotoren bis 2030 »ein No-Go« für das Autoland Niedersachsen, sagte der Liberale am Montag, auf mögliche Koalitionsgedanken angesprochen. Gibt es, das Regieren im Visier, womöglich Zugeständnisse von der einen oder anderen Seite? Immerhin weist Althusmann den Gedanken an ein Bündnis mit den Grünen nicht mehr so brüsk zurück wie noch vor einiger Zeit, bekennt er doch zu jener Frage mittlerweile: »Man soll nie nie sagen.«

Vielleicht aber muss sich der Christdemokrat gar nicht mit der Jamaika-Option beschäftigen. Vielleicht kann Stephan Weil ja doch auf dem Chefsessel bleiben dank eines zweiten Koalitionspartners in Gestalt der Linkspartei. Hatte ihr die Umfrage zur Landtagswahl noch 5 Prozent prognostiziert, erreichte sie bei der Bundestagswahl in Niedersachsen 6,9 Stimmenprozent. »Das bringt uns für die Landtagswahl ganz viel Rückenwind«, freut sich Spitzenkandidatin Anja Stoeck. Sie zeigt sich einem möglichen rot-rot-grünen Bündnis gegenüber aufgeschlossen, hört jedoch das Wort »Koalitionsverhandlungen« nicht gern. Aber man wolle »Gespräche führen« mit der SPD und den Grünen. Inzwischen hat die Partei schon Einladungen zur Wahlparty am 15. Oktober verschickt. »Wir wollen unseren Wiedereinzug in den Niedersächsischen Landtag feiern«, heißt es dort optimistisch. Bei der Wahl 2013 war die LINKE, die bis dahin elf Abgeordnete im Parlament sitzen hatte, mit 3,1 Prozent der Stimmen an der Fünf-Prozent-Hürde gescheitert.

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