Erst Tanz, dann geht der Tanz los

Der Elektroniker Wuttichai Phakchuen aus Heilbronn führt Thaiboxen auf seine Wurzeln zurück

  • Lesedauer: 4 Min.

Kampfsport, international Martial Arts genannt, liegt voll im Trend. Statt fürs gängige Thaiboxen haben Sie sich fürs Original Muay Thai Boran entschieden. Wo liegt der Unterschied?

Das Wort »boran« bedeutet »alt« oder »traditionell«. Wir wenden uralte Trainingsmethoden an. Die Konzentrationsübungen und Meditationen sind vom Geist des Buddhismus inspiriert. So stimmen wir unsere Körper auf das Kommende ein.

Wie läuft das konkret ab?

Zuerst verbeugen wir uns vor dem König, zollen ihm Respekt. Anschließend folgt das Ritual Wai Khru, ein zeremonieller Tanz, der Hochachtung gegenüber Lehrern und Meistern ausdrückt. Nach dem stets dreistündigen Training meditieren wir erneut, um von der Anspannung wieder runterzukommen.

Muay Thai Boran funktioniert nicht nur mit Körpertechniken, sondern als Krabi Krabong oder Daab Thai auch mit Waffen.

Korrekt. Ein perfekter Athlet beherrscht neben reinen Körpertechniken auch den Umgang mit Schwert und Schild oder langen Stöcken, die Speere simulieren.

Klingt nicht ungefährlich.

Keine Sorge, da passe ich auf! Bevor Neueinsteiger zum Säbel greifen dürfen, bilde ich die Schüler bis zur Perfektion an den besagten Stöcken aus. Und ich kann Sie beruhigen: Bisher ist noch nie etwas passiert! (lacht)

Trotzdem, warum muss das heikle Gerät denn unbedingt sein?

Weil Muay Thai Boran kein Selbstzweck ist, sondern Fertigkeiten vermittelt, die überlebenswichtig sein können. Jahrhundertelang waren früher Meister in die Provinz geschickt worden, um die Leute dort in die Kampfkunst einzuweihen. Damit sie sich im Fall einer Invasion als Partisanen wehren konnten, bis die Armee zur Hilfe kam.

Nun ja, in den europäisch geprägten Kampfsportarten gibt es ja das Fechten auch. Tragen Sie auch Wettkämpfe mit Waffen aus?

Nein, Waffenkunst demonstrieren wir nur auf Kulturveranstaltungen, etwa bei den Thaifesten. Sportlich messen wir uns ausschließlich im waffenlosen Muay Thai Boran.

Gegen wen und wo treten Sie da denn an?

Sportlich kämpfen wir fast nur in Thailand. Unser Lieblingsgegner ist die Schule Khru Praeng in Bangkok.

Oh, Thailand ist weit weg...

Ja leider. Aber von der Szene in Deutschland haben wir uns mehr oder minder distanziert, weil die übrigen Anbieter, die hier Martial Arts zu pflegen vorgeben, in Wahrheit primär kommerzielle Interessen verfolgen. Ich verfolge einen anderen Ansatz: Traditionspflege und Heimatverbundenheit.

Welche Körpertechniken sind bei Muay Thai Boran erlaubt?

Schläge mit Fäusten und Kicks mit Füßen, Stöße mit Knien und Ellenbogen. Gesicht und Augen sind tabu, das ist nach thailändischem Verständnis allein schon eine Frage des Respekts. Und den habe ich früh verinnerlicht. Ich war um die vier, fünf Jahre alt, als ich in Thailand an Muay Thai Boran herangeführt wurde.

Von kleinen Freunden oder vom großen Vater?

Anstöße kamen von allen Seiten. Es gibt ja in Thailand an allen Ecken Schulen dafür. Auch manche Mönche in den Tempeln bieten Kurse im Muay Thai Boran an.

Woraus aber ziehen Sie als Coach und Aktiver ihre physische und mentale Stärke?

Aus der Gewissheit, dass dich niemand stoppen wird, wenn du zu deinem Land stehst.

Das dürfte überzeugte Internationalisten etwas irritieren. Dann können sich ja nur Thailänder Ihrer Gruppe anschließen?!

Nein, es geht um eine innere Einstellung, die Sie sich aneignen können, unabhängig von jeder Nationalität. Sie müssen bereit sein, im Notfall auch Opfer zu bringen für das, woran Sie glauben. Das ist der Punkt.

Star in Ihrem Team ist die 18-jährige Niro. Trotz seiner Härte steht Muay Thai Boran auch Frauen offen?

Selbstverständlich! Frauen sind unter den Aktiven hoch geschätzt. Traditionell lernten auch Thailands Frauen schon immer die Techniken, um sich selbst verteidigen zu können.

Thailands Frauen sind so gesehen voll emanzipiert?

Genau!

Infos: www.muaysiamguru.com; Muay Thai Boran im Film »Yamada: The Samurai of Ayothaya«:

www.youtube.com/watch?v=rgBOlUov0q0

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