Zeichen für die atomare Abrüstung

Friedensnobelpreis an ICAN-Kampagne soll nukleare Gefahr verringern

  • Bengt Arvidsson, Oslo
  • Lesedauer: 3 Min.

Kein Applaus, aber auch kein verwundertes Raunen, wie so oft zuvor, waren in Oslo am Freitag zu hören. Berit Reiss-Andersen von der Friedensnobelpreisjury enthüllte vor der angereisten Weltpresse, dass die diesjährige Auszeichnung an die internationale Kampagne zur atomaren Abrüstung (ICAN) geht. »Wir leben in einer Welt, in der die Gefahr des Gebrauchs von Atomwaffen größer ist als seit langem. Die Gefahr eines nuklearen Konflikts ist näher gerückt«, sagte sie. Die gewaltige Bedrohung der Menschheit aufgrund des noch immer riesigen weltweiten Atomwaffenarsenals werde zu oft vergessen oder unterschätzt. Die Jury hoffe, dem Kampf gegen Atomwaffen mit diesem Nobelpreis wieder neue Kraft einzuflößen, sagte Reiss-Andersen. »ICAN bekommt den Preis für die Bemühungen, auf die katastrophalen humanitären Konsequenzen eines jeglichen Einsatzes von Atomwaffen hinzuweisen, und für den bahnbrechenden Einsatz für ein bindendes Verbot solcher Waffen«, betonte sie.

Die erst zehn Jahre alte Dachorganisation ICAN ist ein Bündnis aus derzeit 468 Friedensgruppen aus 101 Ländern, das sich weltweit für atomare Abrüstung und die gänzliche Atomwaffenabschaffung einsetzt. Prominente ICAN-Unterstützer sind unter anderem der Dalai Lama, der ehemalige UN-Generalsekretär Ban Ki Moon und die Friedensnobelpreisträger Desmond Tutu und Jody Williams. Das ICAN-Hauptquartier befindet sich in Genf. Die Mitarbeiter dort sind vor allem jüngere Aktivisten. Charismatische Vorsitzende ist die 34-jährige Schwedin Beatrice Fihn. Die Organisation wurde erst 2007 von Zehntausenden Aktivisten und kleineren Zusammenschlüssen gegen Atomwaffen in Australien gegründet. Ihr Hauptanliegen ist es, Länder dazu zu bringen, einen bindenden UN-Antiatomwaffenvertrag zu unterzeichnen. Der verbietet den Staaten die Produktion, die Lagerung, den Besitz wie den Einsatz von Atomwaffen. Bis Ende nächsten Jahres erhofft sich ICAN, dass ihn 50 Länder ratifiziert haben. 90 Tage nach der fünfzigsten Ratifikation tritt der Vertrag in Kraft. Derzeit haben den Vertrag 53 Staaten unterzeichnet, drei ratifiziert.

ICAN kämpft dabei gegen den hartnäckigen Widerstand der großen Atommächte USA, Russland, und Großbritannien. Frankreich hält sich sehr zu dem Thema bedeckt; Indien und China haben sich prinzipiell dazu bereit erklärt, auf Atomwaffen zu verzichten, sollten die anderen Atommächte auch dazu bereit sein.

Vor allem die USA haben befreundete Staaten erfolgreich unter Druck gesetzt, damit diese den Vertrag nicht unterschreiben. So haben auch Norwegen sowie Deutschland und andere NATO-Länder den Vertrag nicht unterzeichnet, obwohl sie selbst keine Atomwaffen besitzen. Eine Unterzeichnung sei mit der NATO-Mitgliedschaft unvereinbar, wurde bislang begründet.

Die Nobelpreis-Jury erhofft sich mit der Preisvergabe an ICAN, dass der Widerstand gegen die Unterzeichnung des Vertrages gerade auch bei Atomwaffenstaaten und ihren Verbündeten vermindert werde, erklärte Reiss-Andersen am Freitag. Auf die kritische Frage, ob es sich beim diesjährigen Preis nicht um die Ehrung einer wirkungslosen und nur symbolischen Initiative handele, weil bislang nur Staaten den Vertrag unterzeichneten, die ohnehin keine Atomwaffen haben und auch keine Anschaffung planen, antwortete Reiss-Andersen, dass solche Verträge durchaus eine konkrete Rolle spielen würden. Beispielsweise hätte der internationale Bann von Streubomben, Landminen und chemischen Waffen letztlich zu greifbaren Effekten geführt. Man müsse schließlich irgendwo anfangen, so die Preisrichterin.

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