• Berlin
  • Debatte über Polizeiausbildung

Unterwanderung dementiert

Streit um den Zustand der Polizeiakademie erreicht das Abgeordnetenhaus

Wer den CDU-Abgeordneten Burkard Dregger reden hört, mag meinen, sich mitten in einem Krimi zu befinden. Natürlich habe die organisierte Kriminalität ein Interesse daran, Fuß bei der Polizei zu fassen, sagte er am Mittwoch in einer von CDU, FDP und AfD durchgesetzten Sondersitzung des Innenausschusses im Berliner Abgeordnetenhaus. Das Phänomen sei nicht neu, merkte er zu den anonymen Äußerungen über angebliche Missständen an der Berliner Polizeiakademie an. Seine Fraktionskollegen hätten schon früher Schreiben erhalten, die Ähnliches schildern wie die in der Vorwoche bekannt gewordenen Anschuldigungen. Ein langjähriger Mitarbeiter des Landeskriminalamtes hatte in einem offenen Brief bemängelt, dass sich die Einheiten längst für kriminelle Clans geöffnet hätten. Und ein Ausbilder an der Akademie hatte zwei Tage zuvor in einer Whatsapp-Sprachnachricht in einem rüden Tonfall gravierende disziplinarische Mängel bei Polizeianwärtern angeprangert.

»Diese Kritik muss ernst genommen werden«, sagte Dregger. »Nach der Berichterstattung in den Medien kann das Thema nicht mehr kleingehalten werden. Es besorgt die Bürger.« Dregger verlangte, dass es keine keine Tabuisierung geben dürfe, andernfalls - so drohte er - werde sich die CDU für einen Untersuchungsausschuss stark machen.

Berlins Polizeipräsident Klaus Kandt stellte auf der Sondersitzung klar, dass es bei der Behörde keine Unterwanderung durch kriminelle Clans gebe. »Die Behauptung ist definitiv falsch!« Es handle sich um Gerüchte, die türkisch- und arabischstämmige Polizisten und Polizeianwärter unter Generalverdacht stellten. »Das ist unerträglich«, sagte Kandt.

Auch Innensenator Andreas Geisel (SPD) wehrte sich gegen den rassistischen Tonfall der anonymen Anschuldigungen. Er fragte auch nach der Motivation dafür - und stellte klar, dass er eventuelle Fremdenfeindlichkeit nicht dulden werde. Geisel bekannte sich dazu, dass die Berliner Polizei Spiegelbild einer weltoffenen Stadt sein solle. Dementsprechend sollten Polizisten mit einem Migrationshintergrund keine Ausnahme sein.

Zurzeit gibt es laut dem Innensenator etwa 1200 Polizeianwärter an der Akademie - eine Verdreifachung gegenüber dem Jahr 2008. Das ist politisch gewollt. Zum einen, weil auch die Einwohnerzahl der Stadt zunimmt; zum anderen ist mehr Polizei eine Antwort auf den Terroranschlag vom vergangenen Dezember am Berliner Breitscheidplatz. Der Anteil der Anwärter, die aus Zuwandererfamilien kommen, betrage in diesem Jahr rund 45 Prozent, erläuterte Geisel.

Der Innensenator äußerte auch Sorgen über die Qualität der Ausbildung an der Polizeiakademie. Ebenso beunruhige ihn, dass die Kritik zu Missständen anonym erfolgt sei, lediglich oder über Umwege die Polizeiführung erreicht habe. Möglicherweise müsse die Kommunikation verbessert werden, gab Geisel zu bedenken. In der Sitzung forderte er die Polizeiführung dazu auf, dem Parlamentsausschuss in vier Wochen einen detaillierten Bericht vorzulegen, der die Anschuldigungen aufgreift und eventuelle Missstände in der Ausbildung benennt.

Die Polizei ihrerseits hatte eingeräumt, dass es an der Akademie auch Schüler gebe, bei denen Respekt, Disziplin und Rücksichtnahme nicht ausreichend ausgeprägt seien. Margarete Koppers, Vize-Polizeipräsidentin, sagte, es gebe Vorfälle wie in jeder anderen Schule, an der Jugendliche auf erwachsene Lehrkräfte stießen. »Respektloses und flegelhaftes Benehmen« werde jedoch konsequent geahndet, erklärte sie. Notfalls erfolgten Sanktionen, die letztlich auch zur Entlassung führen können.

In diesem Jahr wurden laut Koppers 33 Disziplinarverfahren an der Ausbildungsstätte eingeleitet, etwa wegen Täuschung in Prüfungen, Beleidigung, Körperverletzung oder Fernbleiben vom Dienst. Drei Fälle seien abgeschlossen. Sie endeten mit einem Verweis und zwei Entlassungen, so Koppers.

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