Etappensieg bei Klimaklage gegen RWE

Ein Kleinbauer aus Peru verklagt den Energiekonzern aus Essen

  • Sebastian Weiermann, Hamm
  • Lesedauer: 3 Min.
Mittlerweile kennt sich Saúl Luciano Lliuya gut aus in Deutschland. Vor rund einem Jahr hatte seine Klage gegen den Energieriesen RWE ihn schon zweimal in das Essener Landgericht geführt. Lliuya fordert von RWE, sich an an den Kosten zur Sicherung seiner Heimatstadt Huarez zu beteiligen. Die Stadt in den Anden liegt unterhalb eines Gletschersees und der See wird von Tag zu Tag größer. Der Gletscher schmilzt, die Sperrmauer ist marode. Mehrere Studien sehen eine große Bedrohung für Huarez.

Dagegen will Saúl Luciano Lliuya vorgehen. Von RWE verlangt er, dass der Konzern sich, an seinem CO2-Ausstoß gemessen, anteilig an Schutzmaßnahmen beteiligt. Der Energiekonzern weigert sich, sieht keine Verantwortung. Vor einem Jahr wurde die Klage in Essen abgewiesen. Der Richter monierte damals eine fehlende »inhaltliche Bestimmtheit«. Lliuyas Anwältin Roda Verheyen habe die Prozesse des Klimawandels zwar anschaulich beschrieben, jedoch fehle der konkrete Bezug zu RWE.

Mit dem Gang in die Berufung vor dem Oberlandesgericht Hamm wollte Verheyen eine Beweisaufnahme erreichen. »Das Überflutungsrisiko in Huaraz ist eine Folge des menschgemachten globalen Klimawandels und damit auch eine Folge der Emissionen der Beklagten. Das können und wollen wir beweisen.« Dazu werden sie und Lliuya nun Gelegenheit haben. Überraschend entschied das Oberlandesgericht am Montag, dem Antrag stattzugeben. Ein Zusammenhang zwischen dem Abschmelzen des angrenzenden Gletschers und den Aktivitäten des Energiekonzerns sei wahrscheinlich, erklärte das Gericht. Richter Ralf Meyer sagte, kein Gericht würde sich ein solches Verfahren gerne »ans Bein binden«, es könnte auch die Kapazitäten eines Oberlandesgerichtes bis an die Grenzen bringen. Allerdings sei es notwendig, den Prozess zu führen. RWE stoße große Mengen CO2 aus und es müsse geklärt werden, ob sich der Konzern an den Kosten von Saul Luciano Lliuya beteiligt, die ihm entstehen, um sein Grundstück zu sichern.

Die Anwälte des RWE-Konzerns, die von der Wirtschaftskanzlei Freshfields gestellt werden, sahen dies naturgemäß anders. Sie zweifeln den direkten Zusammenhang zwischen dem Kohlendioxid aus RWE-Kraftwerken und der Situation in Peru an. Außerdem warnten sie, eine Klagewelle »Alle gegen Alle« könnte so entstehen, da ja jeder Mensch Treibhausgase ausstoße. Zuletzt versuchte einer der Anwälte es mit dem Hinweis, dass die deutsche Industrie mit Klagen überzogen werden könnte. Richter Meyer wollte das nicht akzeptieren und betonte, man müsse über Verantwortung diskutieren und könne die Menschen in besonders bedrohten Ländern nicht alleine lassen. Dem hatte auch Verheyen nicht viel hinzuzufügen. Die Entscheidung des Richters, den Antrag auf Beweisaufnahme zuzulassen, bezeichnete sie als »historisch«, erstmals sei die Klimaverantwortung eines einzelnen Konzerns vor Gericht.

Allerdings müssen sich alle beteiligten Parteien auf ein langes Verfahren einstellen. Gutachter aus den Bereichen Klimaforschung und Geologie müssen gefunden werden und diese müssen für beide Konfliktparteien akzeptabel sein. Das kann dauern. Auch die Erstellung der Gutachten selbst kann dauern. Mit einer Verfahrensdauer von mindestens zwei Jahren ist zu rechnen.

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