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Hessens Grüne blinken tiefschwarz

Obwohl die Parteibasis gegen einen »Staatstrojaner« votierte, stimmt die Landtagsfraktion dem CDU-Projekt zu

  • Hans-Gerd Öfinger, Wiesbaden
  • Lesedauer: 3 Min.

Begleitet von einer Protestaktion am Rande der Bannmeile hat der Landtag in Wiesbaden dieser Tage in erster Lesung ein »Gesetz zur Neuausrichtung des Verfassungsschutzes in Hessen« verabschiedet. Damit soll dem Inlandsnachrichtendienst auch der Einsatz von sogenannten »Staatstrojanern«, also Software zum Ausspähen privater Computer und Smartphone, erlaubt werden.

Dass die seit 1999 auch in Hessens Innenministerium tonangebende CDU dem Inlandgeheimdienst des Landes, der wegen mehrerer Skandale im NSU-Zusammenhang in der Kritik steht, noch mehr legale Bespitzelungsmethoden einräumen will, verwundert nicht. Besonders brisant ist die Angelegenheit allerdings durch die Mitwirkung des grünen Koalitionspartners an dem Gesetzesvorhaben. Die einstige Bürgerrechts- und Ökopartei hatte 2013 die Tür für eine Kooperation mit SPD und Linksfraktion zugeschlagen und schluckte seither als Partner der CDU viele Kröten - mit Duldung der in die Jahre gekommenen Grünen-Basis.

Doch nun hat die beabsichtigte gesetzliche Verankerung von »Staatstrojanern« viele Grünen-Mitglieder aufgeschreckt. So fand die Führungsriege aus der Landespolitik bei einer Landesmitgliederversammlung am Wochenende in Hanau keinen Rückhalt für dieses Projekt. Stattdessen unterstützte eine Mehrheit den Antrag der Landesarbeitsgemeinschaft Medien und Netzpolitik, der eine »offene und friedliche Cybersicherheitsstrategie« des Landes einfordert. Der grünen Landtagsfraktion wird darin nahelegt, den zusammen mit der CDU-Fraktion vorgelegten Entwurf zurückziehen.

Dem Beschluss vorausgegangen war eine stundenlange Diskussion. Dabei bemängelten mehrere Redner, dass die Landespolitiker ohne Rücksprache mit der Basis eine »totale Überwachung« durch die »Staatstrojaner« und eine »Abkehr von zentralen Positionen der Grünen durch die Hintertür« eingeleitet hätten. Andere sprachen von einer Richtungsentscheidung für die Partei und warnten davor, dass der Einsatz von Überwachungssoftware auch die IT-Sicherheit in Kraftwerken oder Krankenhäusern gefährden könne.

Führende Landespolitiker der Grünen versuchten die Basis zu beruhigen. Freiheit sei nur möglich, wenn Sicherheit gewährleistet sei, gab der Landtagsabgeordnete Jürgen Frömmrich zu bedenken, der maßgeblich am Gesetzentwurf mitgewirkt hatte. Es sei fatal, den Sicherheitsbehörden die Überwachungsmöglichkeiten nicht zuzugestehen, so Frömmrich.

Vor der Landesmitgliederversammlung in Hanau hatten Aktivisten des hessischen Chaos Computer Clubs (CCC) gegen die Legalisierung von »Staatstrojanern« für den Verfassungsschutz demonstriert und für ihre Kampagnenseite www.hessentrojaner.de geworben. »Bitte haltet Eure Wahlversprechen«, so die Aufforderung auf einem Flugblatt, das an frühere Wahlaussagen der Grünen erinnerte. »Hessen muss sich dafür einsetzen, dass auf Bundesebene die Durchsuchung privater Rechner aufgeschlossen wird«, heißt es in einem Positionspapier der hessischen Grünen-Fraktion aus dem Jahr 2013. »Staatstrojaner« begünstigten einen Schwarzmarkt für Sicherheitslücken in EDV-Systemen und riefen kriminelle Gegenspieler auf den Plan. »Geheimdienstwaffen in den Händen organisierter Kriminalität wären die Folge«, warnt der CCC.

Während sich die Grünen-Fraktion im Landtagsplenum über das Votum ihrer Basis hinwegsetzte, bemängelte die SPD-Abgeordnete Nancy Faeser, dass sich Schwarz-Grün in den Details zur Online-Durchsuchung ausgerechnet am bayerischen Verfassungsschutzgesetz orientiert. Für eine Gefährdungslage-Analyse sei das Bundeskriminalamt und nicht der Verfassungsschutz zuständig, betonte Faeser.

Linksfraktionschefin Janine Wissler erklärte: »Dieser Gesetzentwurf zieht keine Konsequenzen aus dem NSU-Komplex oder anderen Datenskandalen, sondern er legalisiert das skandalöse Agieren der Geheimdienste.«

Auch in anderen Bundesländern setzen Regierungen auf »Staatstrojaner«. So hat das neue SPD/CDU-Bündnis in Niedersachsen dies im Koalitionsvertrag festgeschrieben. Und die grün-schwarze Regierung in Baden-Württemberg hat dieser Tage mit SPD-Unterstützung »Staatstrojaner« in einem neuen Landespolizeigesetz verankert.

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