Der Brexit muss der EU nicht schaden
Wirtschaftsforscher Aiginger empfiehlt neue europäische Strategie
Berlin. Die Politik kann beeinflussen, ob der EU-Austritt Großbritanniens negative wirtschaftliche Auswirkungen auf Deutschland und die EU hat. Zu dieser Einschätzung kommt der Wirtschaftsforscher und Direktor der Plattform »Querdenkereuropa«, Karl Aiginger. So könnten Investitionen in Südeuropa die negativen Folgen des Brexit überkompensieren, sagte Aiginger dem »neuen deutschland«.
In den vergangenen Jahren haben die EU und Deutschland von Südeuropa eine Sparpolitik gefordert. Die Regierungen, etwa in Griechenland, mussten Sozialausgaben kürzen, um Kredite zu erhalten. Künftig sollte die EU den Fokus nicht aufs Sparen legen, sondern stattdessen eine höhere Produktivität und eine bessere Ausbildung in Südeuropa fordern und fördern, schlägt der Wiener Forscher vor. Die EU könnte südeuropäischen Ländern beispielsweise einen Schuldenschnitt anbieten unter der Bedingung, dass die Regierungen in die Zukunft investieren. Dies würde das Wirtschaftswachstum ankurbeln.
Auch von engeren Wirtschaftsbeziehungen zwischen der EU und Afrika könnten beide Regionen profitieren. Dies würde auch mehr Menschen in Afrika eine Perspektive in ihrer Heimat eröffnen. Aiginger schlägt etwa vor, die Facharbeiter-Ausbildung in afrikanischen Staaten zu fördern. Zudem könnte die Solar- und Windenergie unterstützt werden. Wenn auf dem EU-Afrika-Gipfel in dieser Woche eine Partnerschaft gelinge, würden die Folgen des Brexits für die EU verblassen, betont der Ökonom.
Für Großbritannien erwartet Aiginger hingegen - wie zahlreiche andere Forscher - negative wirtschaftliche Folgen durch den Brexit. So werde der britische Finanzmarkt durch den EU-Austritt weniger attraktiv. Die Regierung in London könnte dies ausgleichen: durch eine kluge Forschungs- und Bildungspolitik, wodurch auch die veraltete Industrie modernisiert werden könnte. Allerdings gebe es keine Hinweise, dass die britischen Regierung oder die Opposition in diese Richtung gehen werde. Die Haltung der May-Regierung sei eher: Wir werden das schon irgendwie schaffen.
Aiginger befasst sich seit vielen Jahren mit der Wirtschafts- und Sozialpolitik der EU. Ziel der von ihm geleiteten Diskussionsplattform »Querdenkereuropa« ist es, Lösungen für wirtschaftliche, soziale und ökologische Probleme in Europa zu entwickeln.
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