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Säufer, Spieler, Scheißkerl
»Battle of the Sexes« und »Fikkefuchs«: Wie das Kino die Geschlechterverhältnisse kritisiert
Wo Ideologie zum Kult wird, wird Skepsis zur Pflicht. Also müssen, obgleich der Film seit zwei Wochen im Kino läuft, hier doch noch einige Worte fallen zu »Fikkefuchs«. Und also soll, auch wenn der Streifen schon seit einer Woche auf der Leinwand zu sehen ist, hier noch einmal die Rede sein von »Battle of the Sexes«. Gerade jetzt, da immer neue Beiträge zur MeToo-Debatte die Kritik der Geschlechterverhältnisse auf der Agenda jener Tonangeber halten, die ansonsten täglich eine neue Sau durchs digitale Dorf treiben.
»Fikkefuchs« verdient allein wegen seines Plots eine besondere Beachtung. In der deutschen Low-Budget-Produktion prallt Rocky (Jan Henrik Stahlberg) - ein vom Glück verlassener Lebenskünstler, der seinen Frauenhass in Berlin-Friedrichshain auslebt - auf seinen Mitte-20-jährigen Sohn Thorben (Franz Rogowski) - ein pornosüchtiges Häuflein Elend, armselig und frauenfeindlich wie Rocky. Thorben bittet seinen Vater, der einst als »größter Stecher von Wuppertal« gegolten haben soll, um ein Aufreißer-Coaching, auf dass Frauen bald Lust bekommen mögen, mit einem wie ihm Sex zu haben.
Kein Kulturbürger scheint aktuell an diesem Film vorbeizukommen, den der Deutschlandfunk Kultur bereits vor dem Kinostart als »unglaublich mutige Komödie über bröckelnde Männlichkeitsideale« bezeichnete und dem derselbe Radiosender das zweifelhafte Prädikat »Jetzt schon Kult!« verlieh. Ein Kritiker der Süddeutschen Zeitung empfindet den Film als »Knaller«, die Deutsche Welle nennt ihn »saukomisch«.
Ebenfalls als Komödie, vom inhaltlichen Ansatz her dagegen ganz anders angelegt, ist das Feel-Good-Abenteuer »Battle of the Sexes«. Der Film von Jonathan Dayton und Valerie Faris basiert auf einer wahren Begebenheit: Der 55-jährige Ex-Wimbledon-Sieger Bobby Riggs (Steve Carell) fordert die amtierende Weltranglistenzweite Billie Jean King (Emma Stone) zu einem Tennisspiel heraus, nachdem er die Weltranglistenerste ausgerechnet am Muttertag vernichtend geschlagen hat. Es ist das Jahr 1973. Frauen gelten im Profisport als Witzfiguren. Sie erhalten im Tennis nur ein Fünftel des Preisgeldes, das Männern ausgezahlt wird, obwohl sie ebenso viel Publikum anziehen. Nach anfänglichem Zögern lässt sich King doch noch auf Riggs ein, um mehr Respekt für Frauen zu erkämpfen.
Dass beide Filme ausgerechnet jetzt zu sehen sind, mag Zufall sein. Die Vermarktung läuft aber darauf hinaus, sie auf den MeToo-Zug zu wuchten. Jan Henrik Stahlberg, »Fikkefuchs«-Regisseur und Mitautor des Drehbuchs, will sein Werk als humorvollen Kommentar zum Zustand des überforderten Mannes verstanden wissen. »Battle of the Sexes« holt noch weiter aus: Der Film, so sagte es Hauptdarstellerin Emma Stone in Interviews, wolle ein Statement für Gleichberechtigung setzen.
Anspruch und Wirklichkeit klaffen in beiden Fällen weit auseinander. »Fikkefuchs« vermittelt ein Bild von Mann und Frau, das wohl sogar dem für verklemmte Zoten bekannten Comedystar Mario Barth peinlich wäre. Der Film tut so, als hätte die Geschlechterforschung seit Simone de Beauvoir nichts bahnbrechend Neues zutage gefördert. »Battle of the Sexes« wiederum bagatellisiert die systematische Benachteiligung von Frauen in kapitalistischen Demokratien.
Dafür sorgt schon die Dramaturgie. Billie Jean King ist als Sympathieträgerin konzipiert. Trotz ihres zurückhaltenden Charakters wird sie eine große Nummer im alphatiergeprägten Sport. Sie fordert mehr Preisgeld und lässt sich nicht durch Hohn, Spott und Drohgebärden der Funktionäre einschüchtern. Gegen allen psychischen Druck - ihre Liebe zu einer Frau muss sie verbergen, weil die heteronormative Gesellschaft sie ihr nicht gönnen will - besiegt King am Ende die Machos dieser Welt.
Die Texteinblendung vor dem Abspann behauptet, dass sich alles zum Guten gewendet habe nach dem Sieg über Bobby Riggs. Der wiederum erscheint als prototypischer weißer Mann gesetzteren Alters: Säufer, Glücksspieler, Scheißkerl. In Wahrheit ist er ein Pantoffelheld, finanziert durch seine Ehefrau. Der einzige positiv gezeichnete Mann im Film ist der Gemahl von Billie Jean King, der stets sauber gescheitelt und edel gekleidet auftritt. Um den beruflichen Erfolg seiner Gattin nicht zu gefährden, lässt er sich von ihr klaglos belügen und betrügen. Riggs, auch das erfährt das Publikum kurz vor dem Abspann, respektierte nach der Schmach bis ans Ende seiner Tage die Frauen. So können alle mit einem guten Gefühl nach Hause gehen und über die rückständigen siebziger Jahre lachen.
Heute liegt im deutschen Niedriglohnsektor der Frauenanteil bei 65 Prozent. Im Durchschnitt verdienen Frauen für die gleiche Erwerbsarbeit über 20 Prozent weniger als Männer. Keine Gruppe ist so stark armutsgefährdet wie alleinerziehende Mütter. »Battle of the Sexes« stellt den Feminismus ins Museum, so als sei der Kampf um Gleichberechtigung die in groben Zügen längst erfolgreich abgeschlossene Sache einiger Lesben aus dem vergangenen Jahrhundert.
An dem Wort »Sexismus« kapieren die Macher solcher Filme nur eine Bedeutung der ersten Silbe. Sie reduzieren das Verhältnis von Mann, Frau und anderen Geschlechtern auf eine Frage von Anstand und Moral. Leider bewegen sie sich damit auf linker Linie. Symptomatisch: Mit Ursula März hat ausgerechnet eine Stimme der bürgerlichen Wochenzeitung »Die Zeit« kürzlich festgestellt, dass für den linken Feminismus in der MeToo-Debatte die Klassenfrage bislang fast keine Rolle spielt. Macht es etwa keinen Unterschied, fragt März, ob eine Journalistin zwecks weiblicher Charmespielerei zu einem Termin mit einem chauvinistischen Politiker geschickt wird oder ob eine Supermarktkassiererin mit viel weniger ökonomischem und kulturellem Kapital nach Feierabend den Belästigungen ihres Filialleiters hilflos ausgeliefert ist?
Der sogannnte Allgemeine Studierendenausschuss der Alice-Salomon-Hochschule Berlin will ein an der Außenfassade angebrachtes Gedicht von Eugen Gomringer entfernen lassen, weil es Frauen angeblich zu Objekten degradiert. Die Organisatoren einer Berliner Buchmesse für Queer-Aktivismus wiederum verboten im November eine Veranstaltung zu dem szenekritischen Buch »Beißreflexe« mit einer Selbstverständlichkeit, als sei eine differenzierte Betrachtung der LGTB-Bewegung so sanktionswürdig wie die Holocaustleugnung.
Das sind zwei Beispiele für ein Schmoren im eigenen Saft, das Fluch und Segen ist für das Anliegen der Geschlechtergerechtigkeit. Ohne die (vor allem in den USA und in Deutschland etablierte) arrogante Vehemenz linker Aktivisten hätte MeToo nicht solch ein Echo erzeugt. Sie hat aber auch die Sichtweise popularisiert, nach der Männer durch den Feminismus so stark benachteiligt würden, dass sie Frauen keine Komplimente mehr machen dürften. Rainer Brüderle konnte als Wirtschaftsminister jahrelang den Ausbau des Niedriglohnsektors vorantreiben. Gefährlich wurden ihm erst Busenwitze, die er 2013 gegenüber einer Frau an der Hotelbar gerissen hat. Damals schlugen sich sogar der FDP sonst nicht eben Wohlgesinnte auf Brüderles Seite.
Wie ein Nachhall solcher Lamenti wirkt »Fikkefuchs«. Männer, so die schwache These dieses Films, sind zu stumpfen, sexbesessenen und letztlich bemitleidenswerten Tieren geworden, denen die feministische Keule jeden Verstand in den Unterleib gedroschen hat. Was die Reproduktion uralter Geschlechterklischees betrifft, unterscheidet dieses im Arthaus-Kleid daherkommende Leinwandgejammer nichts von Til-Schweiger-Filmen.
Wenn Rocky und Thorben sich mit anderen »Verlierern« durch einen Pick-Up-Artist unterrichten lassen, dann hält die Kamera im Seminarraum voll drauf auf diesen Testosteronknubbel. Auch in den Einstellungen mit gummipenisbestückten Bällen oder samenstaubedingten Nervenzusammenbrüchen soll Verständnis vermittelt werden für einen Männlichkeitsprotz, dem kaum durch eine ironisierte Verharmlosung des Frauenhasses die Grundlage zu entziehen ist. Warum Gleichberechtigung auch nicht über Nachweise der leistungsgesellschaftlichen Ebenbürtigkeit von Mann und Frau erreichbar sein kann, das zeigt »Battle of the Sexes«.
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