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Das »Staatswohl« kollidiert mit der Wahrheit

Bundesregierung verweigert Abgeordneten Preisgabe von Erkenntnissen über Giftgas-Einsatz in Syrien

  • Karin Leukefeld
  • Lesedauer: 3 Min.

Sevim Dagdelen, eine LINKE-Bundestagsabgeordnete bemüht sich um Aufklärung eines Kriegsverbrechens in Syrien. Die Bundesregierung scheint daran jedoch wenig bis gar kein Interesse Interesse zu haben. Darauf jedenfalls lässt ihre Reaktion auf eine Anfrage der Abgeordneten schließen. Dabei schlug das Geschehen politisch hohe Wellen bis in den UN-Sicherheitsrat.

Darum geht es: Am Morgen des 4. April dieses Jahres hatte ein Arzt aus Khan Scheichun, einem Dorf in Nordwestsyrien, per Facebook die Weltöffentlichkeit über den Angriff informiert und die russische oder syrische Luftwaffe dafür verantwortlich gemacht. Fotos von Toten und Verletzten, auch von betroffenen Kindern wurden verbreitet, 80 Menschen starben. Hierzulande übernahmen die meisten Medien die Darstellung jenes Arztes und machten »Assad«, »das Regime«, »die Russen« verantwortlich.

Die syrische Regierung und ihre Verbündeten in Moskau widersprachen und forderten eine »professionelle, unvoreingenommene und entpolitisierte« Untersuchung des Vorfalls durch UN-Chemiewaffeninspektoren. Bodenproben und eine Inaugenscheinnahme vor Ort sollten durchgeführt werden, Gespräche mit Augenzeugen, Betroffenen auf beiden Seiten.

Der UN-Sicherheitsrat befasste sich schon am 6. April mit dem Geschehen. US-Botschafterin Nikki Haley drohte, die USA könnten selber aktiv werden, um weitere Chemiewaffenangriffe durch das »Assad-Regime« zu stoppen. Kurz darauf gab US-Präsident Donald Trump den Befehl zum Angriff. Am 7. April wurden 59 Tomahawk-Raketen von zwei US-Kriegsschiffen im Mittelmeer auf die syrische Luftwaffenbasis Schayrat nahe Homs abgefeuert. 15 Syrer wurden dabei getötet.

Eine Untersuchung der UN-Chemiewaffeninspektoren vor Ort fand jedoch nicht statt. Stattdessen untersuchten die UN-Inspektoren in der Türkei Fotos, die Regierungsgegner in Khan Scheichun gemacht haben wollten. Auch die vorgelegten Aussagen von Betroffenen wurden von Oppositionellen auf türkischem Territorium präsentiert, ebenso Bodenproben aus Khan Scheichun.

Russland und Syrien protestierten gegen diese Verfahrensweise. Russische Experten legten eigene Untersuchungen vor, die aber von den westlichen Staaten im Sicherheitsrat, vor allem Frankreich und den USA, vom Tisch gewischt wurden.

Die Abgeordnete Dagdelen stellte dazu mehrfach Fragen an die Bundesregierung, zuletzt am 13. De-zember. Sie wollte wissen, ob der Bundesnachrichtendienst (BND) die Bodenproben aus Khan Scheichun untersucht habe und »wenn ja, aus welcher Quelle stammen diese Bodenproben?«

In der Antwort von Klaus-Dieter Fritsche, Staatssekretär im Bundeskanzleramt, heißt es, dass die »Beantwortung der Frage (…) aus Gründen des Staatswohls nicht offen erfolgen« könne. Einzelheiten zu der nachrichtendienstlichen Erkenntnislage der Nachrichtendienste des Bundes seien »besonders schutzwürdig, eine Veröffentlichung von Einzelheiten solcher Erkenntnisse würde zu einer wesentlichen Schwächung der dem BND zur Verfügung stehenden Möglichkeiten zur Informationsgewinnung führen.« Die Informationen seien als »GEHEIM« eingestuft.

Dagdelen erklärte dazu gegenüber »nd«, es sei »ein Hohn, dass die Bundesregierung ›aus Gründen des Staatswohls‹ nicht darüber aufklären will, ob und welche eigenen Erkenntnisse der BND zum Giftgaseinsatz im syrischen Khan Scheichun« habe. Die Weigerung nähre den Verdacht, dass man »blindlings Anschuldigungen befreundeter Nachrichtendienste« übernehme. Dem »Staatswohl« sei aber am ehesten durch Transparenz und Aufklärung gedient.

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