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Der Weg in die Eskalation

Im Nahen und Mittleren Osten tobt ein Machtkampf zwischen Saudi-Arabien und Iran. Eine Analyse von Jörg Kronauer

  • Jörg Kronauer
  • Lesedauer: 4 Min.
Natürlich ist es Unfug, was manche aus den Teheraner Machtzirkeln behaupten: dass Saudi-Arabien die aktuellen Unruhen in Iran angezettelt habe. Die Wirtschaftsprobleme, deretwegen die Menschen rebellieren, die Jugendarbeitslosigkeit, die Repression - das sind authentische Protestgründe, genau wie die Forderung, staatliche Mittel nicht für Auslandseinsätze der Revolutionsgarden etwa in Syrien auszugeben, sondern mit ihnen doch gefälligst die Armut zu Hause zu bekämpfen. Nur: Das kann trotz allem nicht darüber hinwegtäuschen, dass Saudi-Arabien sich seit geraumer Zeit tatsächlich Mühe gibt, in der iranischen Bevölkerung zu zündeln. »Wir werden darauf hinarbeiten, dass die Schlacht« - der Machtkampf zwischen Riad und Teheran um die Hegemonie in Mittelost - »innerhalb Irans geführt wird«, hat Kronprinz Mohammed bin Salman im Mai 2017 in einem Fernsehinterview angekündigt.

Innerhalb Irans? Saudi-Arabien hat zuweilen die arabische Minderheit in der iranischen Provinz Chuzestan an der Grenze zu Irak, in der es eine separatistische Strömung gibt, aufzuwiegeln versucht; einige aus der Minderheit beteiligen sich an den aktuellen Protesten. 2016 hatte sich Prinz Turki al Faisal, ein einflussreicher Angehöriger der saudischen Machtzirkel, auf einer Versammlung der iranischen Volksmujahedin gezeigt. Auch wenn nicht klar ist, inwiefern Riad mit derlei Maßnahmen Erfolg hat: Die Beispiele ließen sich vermehren.

Gleichzeitig dehnt Saudi-Arabien das Schlachtfeld räumlich immer weiter aus. Als wäre es nicht schon schlimm genug, dass der Machtkampf zwischen Riad und Teheran von Libanon über Syrien und Irak bis nach Jemen den gesamten Nahen und Mittleren Osten erschüttert: Im Dezember hat die saudische Staatsführung ihren nächsten Schritt getan und begonnen, nun auch die Sahelzone in die Auseinandersetzung einzubeziehen. Dort bauen Berlin, Paris und Brüssel gerade eine »G5 Sahel«-Kampftruppe auf, die - bestehend aus Soldaten Mauretaniens, Malis, Burkina Fasos, Nigers und Tschads - in Zukunft Operationen gegen Djihadisten, Flüchtlinge und sonstige Personen führen soll, die sich die Staaten Europas vom Hals halten wollen. Lange war die Finanzierung ungewiss. Auf einem Gipfeltreffen in Paris hat Riad Ende 2017 100 Millionen US-Dollar zugesagt. Nicht nur das: Außenminister Adel Al Dschubeir hat mit Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron eine militärische Beteiligung vereinbart. Leisten soll sie die »Islamic Military Counter Terrorism Coalition« (IMCTC), ein aus offiziell rund 40 muslimisch geprägten Staaten bestehendes Militärbündnis, das Riad im Dezember 2015 gegründet hat. »Muslimisch geprägt« ist ungenau: Es handelt sich um ein Bündnis sunnitischer oder doch zumindest mit einer sunnitischen Mehrheit ausgestatteter Staaten; Iran ist ausgeschlossen. Die IMCTC ist dazu da, den Saudis die Macht zu sichern und Teheran an den Rand zu drängen.

Bislang ist Teheran im Machtkampf um die Hegemonie im Mittleren Osten erfolgreicher gewesen. Begonnen hat das schon mit dem US-Überfall auf Irak, dem Washington gerne noch den Sturz der Regierung Irans hätte folgen lassen. Dazu kam es nicht; stattdessen eroberten tendenziell proiranische Schiiten die Macht in Bagdad. Der nächste Schritt kam in Syrien: Zielte die westlich-saudische Umsturzförderung ab 2011 auch darauf ab, mit Präsident Baschar al-Assad einen Partner Teherans zu beseitigen, so ist dies nicht nur gescheitert. Vielmehr haben iranische Milizen den Einfluss ihrer Regierung in Syrien sogar noch gestärkt. In Jemen galt Irans Einfluss auf die Houthi 2015, als Saudi-Arabien den Krieg gegen sie startete, als vergleichsweise gering - inzwischen ist er, während Riad außerstande ist, den Krieg zu gewinnen, beträchtlich gewachsen. Der Versuch, Katar per Blockade von der Kooperation mit Iran abzubringen, hat das Emirat nur noch weiter in die Arme Teherans getrieben. Der absurde Versuch, den libanesischen Ministerpräsidenten in Saudi-Arabien festzusetzen, um ihn zu zwingen, die proiranische Hizbollah zu isolieren, ist ebenfalls nach hinten losgegangen.

Was bleibt nach all den Fehlschlägen, wenn man - wie der saudische Herrscherclan - trotzdem um jeden Preis zur Regionalmacht aufsteigen will? Genau: der Weg in die Eskalation. Riad, ausgerüstet mit deutschen Waffen und auch sonst zuverlässig unterstützt von Berlin, hat ihn eingeschlagen.

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