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Auf den Straßen des Politpop
In den Bezirken wird diskutiert, ob Orte nach Rio Reiser, Benno Ohnesorg oder David Bowie benannt werden sollen
Gert Möbius, Rio Reisers Bruder, begrüßt die Initiative aus Kreuzberg, einen Teil des Mariannenplatzes in Rio-Reiser-Platz umzubenennen. »Das wäre ein passender Ort dafür«, sagte er dem »nd«. Legendär ist schließlich der Rauch-Haus-Song, in dem Rio Reiser einen Polizeieinsatz nach der Besetzung des ehemaligen Bethanien-Krankenhauses auf dem Platz besang.
Der Vorschlag geht auf die LINKE zurück, die im Herbst einen Antrag zur Umbenennung des Platzes in die Bezirksverordnetenversammlung (BVV) einbrachte. Die Bezirksbürgermeisterin Monika Herrmann (Grüne) hielt dies für einen Wahlkampfgag. Der Bundestag ist nun längst gewählt. Die BVV hat den Antrag an den Kulturausschuss überwiesen, und der hat darüber noch nicht entschieden.
Auch in anderen Bezirken gibt es Überlegungen, Plätze und Straßen umzubenennen. In Tempelhof-Schöneberg unternahm eine Initiative den Vorstoß, die Hauptstraße in David-Bowie-Straße zu ändern. Der britische Musiker lebte von 1976 bis 1978 in der Hauptstraße 155. Eine Petition verfehlte zwar im vergangenen Jahr die erforderlichen 15 000 Unterschriften, sie wurde aber trotzdem dem Regierenden Bürgermeister Michael Müller (SPD) und dem Bezirksamt überreicht.
In Charlottenburg-Wilmersdorf soll es nach dem Willen der dortigen BVV einen Platz für Benno Ohnesorg geben. Der Student wurde am 2. Juni 1967 auf einer Demonstration gegen den Schah von Persien unweit der Deutschen Oper von dem Polizisten Karl-Heinz Kurras erschossen. Das Bezirksamt prüft nun, ob der Shakespeareplatz gegenüber der Deutschen Oper umbenannt werden kann.
Der ehemalige Justizsenator Wolfgang Wieland (Grüne), der sich einst selbst unter den Demonstrierenden befand, unterstützt das Vorhaben. »Das ist schon ein starkes Stück, dass es das noch nicht gibt«, sagte er der Zeitung »Das Parlament«.
Ohnehin gleicht der Tod Ohnesorgs einem Skandal. Die polizeilichen Ermittlungen verliefen im Sande. Kurras wurde dafür nie belangt. Er habe aus Notwehr gehandelt, hieß es. Lukas Ohnesorg, der vier Monate nach dem Tod seines Vaters geboren wurde, ist darüber verbittert: »Jeder, der sich mit dem Fall beschäftigt hat, weiß, dass mein Vater ermordet wurde«, sagte er dem »Spiegel«. Er kritisiert, dass die Polizei und der Senat dies bis heute nicht aufgearbeitet haben.
Erste Schritte diesbezüglich erfolgten im vergangenen Jahr. Ein halbes Jahrhundert nach dem in Gewaltexzessen ausgearteten Schah-Besuch bat Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne) »den Opfern der Gewalt und Willkür, deren Täter nicht oder nicht ausreichend belangt wurden«, um Entschuldigung. Ein weiterer Schritt wäre die Benennung eines Platzes nach Benno Ohnesorg. Dessen Sohn Lukas begrüßt den Vorstoß der rot-rot-grün dominierten BVV in Charlottenburg-Wilmersdorf.
In Friedrichshain-Kreuzberg wird sich die Umbenennung des Mariannenplatzes indes noch hinziehen. Grund dafür ist eine Entscheidung des Bezirks, bei Straßenumbenennungen zur Hälfte Frauen zu berücksichtigen. Demnächst wird der Kulturausschuss gemeinsam mit dem Gleichstellungsausschusses über einen Rio-Reiser-Platz beraten.
Sollte es zur Umbenennung kommen, schlägt Gert Möbius vor, müsse dies gefeiert werden - mit einem Fest und Musik. Viele Weggefährten Rio Reisers seien ja noch am Leben.
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