Halle hadert mit den Hausprojekten

Die linke »Hasi« steht vor einer Räumung, der Kampf gegen das Zentrum der Identitären Bewegung geht weiter

  • Max Zeising, Halle (Saale)
  • Lesedauer: 5 Min.

Noch war die Polizei nicht da. Die »Hasi«, ein soziales Zentrum in der Hafenstraße in Halle (Saale), ist bislang nicht geräumt worden - anders als zunächst befürchtet. Ein Antrag der Grünen-Fraktion im Stadtrat, der das Fortbestehen des Zentrums sichern sollte, wurde vergangene Woche in die Ausschüsse verwiesen - also quasi vertagt. »Wir setzen darauf, dass die Hasi bis dahin ohne Einschränkungen weiter ehrenamtliche Stadtteilarbeit leisten kann«, schrieben die Aktivisten daraufhin auf Facebook und versuchen nun, wieder Normalität einkehren zu lassen: Der Veranstaltungsplan für Februar und März steht. Es soll erst einmal so weitergehen wie bisher. Doch wie lange das gut geht, ist ungewiss.

Der 1. Februar war ein besonderer Tag für die »Hasi«. An diesem Tag endete der Nutzungsvertrag, den die Aktivisten des ehemals besetzten Hauses mit der Wohnungsgesellschaft HWG geschlossen hatten. Die HWG wollte die Zusammenarbeit mit der »Hasi« nicht verlängern, zudem stimmte der Stadtrat im Dezember gegen einen Kauf des Hauses, der die Nutzung weiter ermöglicht hätte. Entsprechend nervenaufreibend ist die aktuelle Lage. »Wir müssen jederzeit mit einer Räumung rechnen«, sagt Tom, einer der Aktivisten, dem »nd«. Am Montag sollte eigentlich die Schlüsselübergabe stattfinden, dieser Aufforderung kamen die Aktivisten aber nicht nach. Die HWG werde nun »die weiteren Schritte einleiten, die üblicherweise auf eine nicht zustande gekommene Objektübergabe an den Vermieter folgen«, heißt es.

Die Diskussion um die »Hasi« passt derweil ins Bild, das die Stadt derzeit insgesamt abgibt. Die politische Lage ist sehr ambivalent zu bewerten. Viele Studenten wohnen dort, gleichzeitig gibt es aufgrund hoher Arbeitslosigkeit wirtschaftliche und soziale Probleme, aber auch zahlreiche leer stehende Häuser und entsprechenden Freiraum für alternative Lebensmodelle. Die »Hasi« bietet genau solche Freiräume: Verschiedene Gruppen treffen sich dort zu Sport, Tanz und Theater, es gibt ein Elterncafé, eine Selbsthilfewerkstatt und vieles mehr. Auch war es den Aktivisten von Beginn an wichtig, guten Kontakt zur Nachbarschaft zu pflegen - auch wenn es sich bei der »Hasi« eher um eine subkulturelle Nische handelt.

Trotzdem solidarisieren sich jetzt viele Hallenser mit der »Hasi«, was an den zahlreichen »Hasi bleibt!«-Bannern in der Stadt deutlich wird. Denn sie wissen: Ein alternativer Freiraum ist auch deshalb wichtig, weil Halle zugleich Nährboden für verschiedene rechte Gruppen bietet. So gibt es mit der »Kontrakultur« eine Ortsgruppe der Identitären Bewegung (IB), die ebenfalls ein Hausprojekt ins Leben gerufen hat. Es sei vor allem die räumliche Nähe zum »Institut für Staatspolitik« des neurechten Verlegers Götz Kubitschek in Schnellroda, die Halle für Identitäre interessant mache, sagt Wanja Seifert vom Kollektiv »IfS dichtmachen«.

Absurderweise prägen Hausprojekte also die Stadtpolitik gleich in mehrfacher Hinsicht, auch wenn die »Hasi« und das Haus der Kontrakultur nicht im Geringsten etwas miteinander zu tun haben. Das IB-Haus ist auch kein offenes Projekt, wo jeder einfach so hineingehen kann, wie das bei alternativen Zentren üblich ist, sondern »wirkt nach außen eher wie ein Gefängnis«, fügt Seifert an und zeigt auf die Überwachungskamera, die an der Außenfassade auf Höhe des ersten Obergeschosses angebracht ist.

Umso dringender erscheint es, sich genauer mit diesem »Gefängnis« zu befassen: Antifa-Recherchen haben ergeben, dass die »Kontrakultur« etwa 20 bis 25 Mitglieder umfasst. Sechs davon wohnen offiziell zusammen in der Adam-Kuckhoff-Straße, auch der AfD-Landtagsabgeordnete Hans-Thomas Tillschneider hat dort ein Büro. Die Bewohner sind Personen mit zum Teil klar rechtsextremer Biografie. So war der Kopf der Gruppe, Mario Müller, früher bei der NPD-Jugendorganisation »Junge Nationale« aktiv. Heute gibt er sich geläutert, doch in Wahrheit ist die Identitären-Ortsgruppe äußerst gewaltbereit. Einmal haben sie mit Baseballschlägern und Pfefferspray zwei Polizisten angegriffen, ein andermal haben sie vor der Mensa mehrere Studenten bedroht.

Gegen das Hausprojekt gibt es immer wieder Demonstrationen. Dabei sind es nicht nur radikale Antifaschisten, die sich zur Wehr setzen, sondern auch Anwohner des eher gutbürgerlichen Stadtteils, in dem die Mitglieder der »Kontrakultur« wohnen. Der Protest wird wohl noch eine ganze Weile andauern, denn es ist nicht zu erwarten, dass die Identitären morgen wieder ausziehen. Was in Zukunft in der Stadt passieren wird, ist also unklar.

Die Rückschau fällt dagegen etwas leichter: Sie offenbart, das die aktuellen Konflikte seit Jahrzehnten zum Alltag der Stadt gehörten. So gibt es seit den 90er Jahren harte Auseinandersetzungen mit Rechten, die mal mehr, mal weniger offen ausgetragen werden. In den vergangenen Jahren gehörten vor allem die offen neonazistische »Brigade« und die Montagsmahnwachen zu den rechten Akteuren.

Gleichzeitig gibt es aber auch eine aktive Zivilgesellschaft und ebenso eine linke Bewegung, die dagegenhalten kann. Deutlich wurde das besonders im vergangenen Jahr, als Neonazis am 1. Mai in Halle ihren zentralen Aufmarsch durchführen wollten, aber aufgrund großer Proteste nicht konnten - anders als die Jahre zuvor im sächsischen Plauen und im thüringischen Saalfeld. »Wenn der Protest überall so breit aufgestellt wäre wie in Halle, hätten wir insgesamt in Ostdeutschland deutlich weniger Probleme«, sagt die LINKE-Landtagsabgeordnete Henriette Quade. Nicht zu vergessen: Auch die »Hasi« unterstützt die Demonstrationen gegen das IB-Haus.

Parallelen zu früheren Zeiten sieht auch Torsten Hahnel vom »Miteinander e.V«., einem regionalen Verein, der sich seit vielen Jahren gegen Rechtsextremismus engagiert: »Die Identitären vertreten ähnliche Inhalte wie die Neonazis der 90er und Nullerjahre.« Die Warnung der Identitären vor einem »Bevölkerungsaustausch« etwa erinnere an die Volkstod-Kampagne früherer Neonazi-Gruppen. »Die Beschäftigung mit ihnen kann als ›Fortsetzung‹ der Auseinandersetzung mit Rechtsextremismus in ostdeutschen Großstädten, gesehen werden.«

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