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  • Annegret Kramp-Karrenbauer

Frauengaudi als Kontrastprogramm

Angela Merkel holt sich im innerparteilichen Machtkampf Verstärkung aus dem Saarland

  • Uwe Kalbe
  • Lesedauer: 4 Min.
Sie mögen sich schon lange aufeinander gefreut haben - Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer und die Kanzlerin. Dass zwischen den beiden Frauen die Chemie stimmt, hatte sich bei gemeinsamen Auftritten immer mal wieder gezeigt. Und zur Harmonie gehörte auch, dass darüber keine großen Worte gemacht und auf Nachfragen allenfalls Banalitäten preisgegeben wurden.

Nicht einmal einen ganzen Tag dauerte es jedenfalls nun, bis Angela Merkel ihre Entscheidung bekanntgab: Annegret Kramp-Karrenbauer, saarländische Ministerpräsidentin, wird neue Generalsekretärin der CDU. Die Vertraute von CDU-Chefin und Bundeskanzlerin Merkel kann die neue Funktion nicht direkt als Beförderung betrachten. Langfristig dürfte es aber genau so gemeint sein, als eine bundespolitische Empfehlung für höhere Weihen.

Denn zu laut wird mittlerweile auch in der CDU darüber gesprochen, dass Merkels politisches Ende näherrückt. Kramp-Karrenbauer hatte an den Koalitionsverhandlungen mit der SPD teilgenommen, war aber bisher eher als Ministerin eines künftigen schwarz-roten Bundeskabinetts betrachtet worden. Mit ihrer Entscheidung, die Saarländerin auf den Posten des Parteimanagers zu setzen, drückt Merkel den renitenten und nicht ungefährlichen Debatten wieder einmal ihren eigenen Stempel auf. Selbst wenn es stimmt, dass die Idee von Kramp-Karrenbauer stammte. Dieser Coup sei zwischen ihr und Merkel seit einigen Monaten verabredet gewesen, berichtete die »Süddeutsche Zeitung«.

Erst am Sonntagnachmittag hatte Generalsekretär Peter Tauber in einem Interview mitgeteilt, dass er aus seinem Amt scheiden werde. Er hatte wegen einer schweren Erkrankung und nach zwei Operationen schon an den Koalitionsverhandlungen nicht teilnehmen können, war nur bei den Sondierungen mit Grünen und FDP zu einer Jamaikakoalition teilweise dabei gewesen.

Doch neben der gesundheitlichen Gründe wurde in den Medienberichten prompt auch auf zunehmende Differenzen zwischen Peter Tauber und prominenten Mitgliedern seiner Partei hingewiesen. Dass die Kritik an Tauber zugleich der Bundeskanzlerin selbst galt, blieb meist ungesagt. Doch mit ihrer Entscheidung - erzwungen von Taubers Erkrankung oder nicht - beginnt Merkel nun zugleich die Wogen zu glätten und das Terrain in den eigenen Reihen schon mit Blick auf das Ende ihrer Amtszeit zu bereiten.

Peter Tauber, der wegen seiner Modernität, vor allem seiner digitalen Aufgeschlossenheit und Sachkunde einerseits weithin geschätzt wird, hatte als Merkels treuer Vasall zugleich bereitwillig den Part übernommen, der einem Generalsekretär naturgemäß zukommt - die bedingungslose Umsetzung der politischen Vorgaben seiner Chefin. Besonders konservative und wirtschaftsnahe Teile der Partei kritisieren die Vorsitzende seit langem als zu wertvergessen und angeblich sozialdemokratisiert.

Tauber hatte den Fehdehandschuh, anders als die zu solchen Vorwürfen in aller Regel stoisch schweigende Vorsitzende, aufgenommen und mit seinen verbalen Gegenattacken für Verärgerung gesorgt. So sprach der im letzten Jahr aus dem Bundestag ausgeschiedene Innenpolitiker Wolfgang Bosbach empört davon, dass in 23 Jahren Bundespolitik er sich am meisten über einen Satz Taubers geärgert habe: »Diejenigen von uns, die das zweite Griechenland-Hilfspaket abgelehnt haben, hätten aus ihrem Nein ein ›Geschäftsmodell‹ gemacht. Eine glatte Unverschämtheit!«, sagte Bosbach dem »Kölner Stadt-Anzeiger«.

Ganz anders als übrigens auch Kramp-Karrenbauer setzte Tauber sich engagiert für die Ehe für alle ein. Die Saarländerin machte aus ihrer tiefen Abneigung gegen Alternativen zur Ehe zwischen Mann und Frau hingegen kein Hehl und rief mit grenzwertiger Formulierung moralische Empörungsstürme hervor, als sie die Homoehe in die Nähe des Inzests oder der Polygamie rückte.

Auf ihrer gemeinsamen Pressekonferenz am Montag in Berlin kündigten Merkel und Kramp-Karrenbauer auch eine vor allem von Konservativen in ihrer Partei geforderte programmatische Erneuerung an. Allerdings ließ die designierte Generalsekretärin keinen Zweifel daran, dass sie dabei auf Merkels Positionen stehe - also die Ausrichtung auf die »Mitte« unterstütze, nicht die Orientierung weiter nach rechts.

Dass Verfechter einer solchen Verschiebung wie CDU-Präsidiumsmitglied Jens Spahn sich auf Widerstand einstellen müssen, machte zuletzt auch der Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, Armin Laschet deutlich. Markenkern der CDU sei nicht das Konservative, sondern das christliche Menschenbild, das »über allem steht«, sagte Laschet der »Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung«. Die Partei sei keine »Sammlungsbewegung der demokratischen Rechten«.

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