Nach 30 Monaten: Verein für Sexarbeiter*innen wieder gemeinnützig

Dona Carmen kritisiert »politisch motivierte Willkür« des Finanzamt Frankfurt - Aktivisten fordern Rechtssicherheit für politische Willensbildung

  • Moritz Wichmann
  • Lesedauer: 3 Min.

Der »Verein für soziale und politische Rechte von Prostituierten Doña Carmen« ist nun doch gemeinnützig. Das Finanzamt Frankfurt am Main hatte dem Verein, der sich für die Rechte von Sexarbeiter*innen einsetzt, im Herbst 2015 die Gemeinnützigkeit entzogen und nun seine Einschätzung plötzlich geändert. Offenbar stehe »politisch motivierte Willkür« hinter beiden Entscheidungen, teilte der Verein mit.

Zunächst hatte das Finanzamt Frankfurt 17 Jahre lang das Engagement des Vereins für die Anerkennung von Prostitution als Beruf als gemeinnütziges Vereinsziel akzeptiert. Doch dann kam plötzlich die Kehrtwende. Der Verein sei »zu politisch« und diene nur der »Verbreitung der Ansichten« der Macher von Doña Carmen. Außerdem würden keine »Kenntnisse oder Bildungsinhalte vermittelt«, hieß es in einem Bescheid an den Verein im September 2015.

Vergangenes Jahr klagte der Verein gegen die Frankfurter Behörde wegen Untätigkeit, weil diese 22 Monate nach dem Einspruch des Sexarbeiter*innen-Vereins noch immer nicht über diesen entschieden hatte. Kurz vor der Eröffnung der Verfahrens machte das Frankfurter Finanzamt nun still und leise einen Rückzieher: Der Bescheid von 2015 sei aufgehoben, teilte die Behörde mit.

Die Entscheidung kam offenbar deshalb, weil die Frankfurter Finanzbeamten eine »weitere gerichtliche Niederlage vermeiden« wollten, vermuten die Aktivisten von Doña Carmen mit Verweis auf die gerichtliche Auseinandersetzung um die Gemeinnützigkeit von Attac. Auch diesen – mittlerweile fünf Jahre währenden – Gerichtsstreit um das gleiche Thema hatte das Frankfurter Finanzamt, offenbar auf Weisung von Finanzminister Wolfgang Schäuble, angestoßen.

Auch die Frankfurter Finanzbeamten hätten ein obrigkeitsstaatliches Verständnis von gesellschaftlichem Engagement, empören sich die Aktivisten von Doña Carmen. Gemeinnützige Organisationen sollen »nur an einzelnen Missständen mit Hilfe zur Selbsthilfe herumdoktern dürfen«, schreiben die Fürsprecher der Sexarbeiter*innen, die ihren Fall wie den von Attac als Teil einer Behördenkampagne gegen die Zivilgesellschaft sehen. »Die Bewertung politischer Verantwortlichkeit, die Kritik an politischen Entscheidungsträgern und ein Aufzeigen von politischen Alternativen«, wollten konservative Beamte Vereinen wie Attac und Doña Carmen nicht zugestehen, heißt es in einer Mitteilung des Vereins. Die Aktivisten aus Frankfurt mobilisieren derzeit unter anderem gegen das »Prostituiertenschutzgesetz«, das aus ihrer Sicht Sexarbeiter*innen »demütigende« Meldeverfahren aufzwinge.

Doch obwohl die Gemeinnützigkeit von Doña Carmen wieder hergestellt ist: Zweieinhalb Jahre konnten die Spender des Vereins ihre Spenden nicht von der Steuer absetzen bzw. der Verein konnte keine Bestätigungen für Spenden ausstellen. Eine Zeit der Unsicherheit und ein Schaden für den Verein, zusätzlich zu den Kosten für den Rechtsstreit. Deswegen will sich Doña Carmen auch weiterhin in der »Allianz Rechtssicherheit für politische Willensbildung« engagieren.

In der Initiative haben sich mehr als 80 verschiedene Vereine wie Attac, Mehr Demokratie sowie die Netzaktivisten von Digitalcourage zusammengeschlossen, um gegen ähnliche Fälle wie den ihren vorzugehen und die Politik zu einer Überarbeitung des Vereinsrechts hin zu einem »modernen Gemeinnützigkeitsrecht« zu überzeugen. Die gesetzlichen Regelungen seien so kompliziert, dass »der Status der Gemeinnützigkeit offenbar weniger von Zielen und Tätigkeiten eines Vereins abhängt als davon, wie viel Geld der Verein für Anwältinnen und Steuerberater ausgeben kann«, kommentierte der Sprecher der Initiative Stefan Diefenbach-Trommer.

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