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Eine ehrenwerte Familie

Russlands Olympisches Komitee ist zurück im Kreis der vom IOC anerkannten Nationen. In der Heimat fühlt man sich bestätigt im Glauben an ein Komplott

In reinstem Weiß lackiert sind die BMW-Limousinen, über die sich Russlands Medaillengewinner bei den just zu Ende gegangenen Olympischen Spielen von Pyeongchang freuen können. An eben jenem Tag, an dem Russlands Präsident Wladimir Putin traditionell im Kreml die 168 »Olympischen Athleten aus Russland« empfing, die wegen des russischen Dopingskandals unter dem Kürzel OAR und Olympischer Flagge angetreten waren, erteilte auch das IOC dem Russischen Olympischen Komitee (ROK) eine Art Persilschein. Das IOC hob die Suspendierung des ROK wegen systematischen Dopings auf, die es erst im Dezember 2017 verhängt hatte.

Russland ist seit Mittwoch wieder offiziell Teil der Olympischen Familie. Noch nicht einmal drei Tage waren seit der Abschlussfeier im Olympiastadion von Pyeongchang vergangen, da erlaubte das IOC den russischen Sportfunktionären schon neuerliche Hochgefühle. »Wir fühlen wirklich Erleichterung«, sagte Stanislaw Pozdniakow, Vizepräsident des Russischen Olympischen Komitees nach der IOC-Entscheidung gegenüber der staatlichen Nachrichtenagentur TASS. Bei den Spielen hätten die Athleten, Trainer und Delegationsmitglieder »hohe Professionalität« gezeigt: »Sie schafften es, eine anständige Anzahl von Medaillen zu erringen - trotz all der Schwierigkeiten -, und bewiesen dabei, dass Sport außerhalb der Politik steht.«

Präsident Putin behielt es sich vor, die Athletinnen und Athleten, die mit zwei Gold-, sechs Silber- und neun Bronzemedaillen von den Spielen heimkehrten, noch etwas pathetischer zu preisen: »Andere Athleten sind aufgetreten und haben gesagt, dass man uns vieles genommen hätte. Man kann wirklich alles nehmen, jegliche Symbole. Den Charakter jedoch nicht und Sie haben das bewiesen«, erklärte der Präsident nur einen einen Tag vor seiner viel beachteten Präsentation neuester russischer Nuklearwaffentechnologien vor der Föderalen Versammlung.

Dass die Hälfte der in Pyeongchang aufgedeckten Dopingfälle auf das Konto des Teams OAR ging, nämlich zwei der vier Fälle, ficht in Russland kaum jemanden an. Im halbstaatlichen Pjerwy Kanal wurde hingegen spekuliert, wie beispielsweise das verbotene Herzmedikament Meldonium in den Körper des ertappten Curlers Alexander Kruschelnizki gelangt sein könnte, der im Mixed-Double Bronze gewonnen hatte, ehe er und seine Frau wegen Dopings disqualifiziert wurden. Der Athlet könne doch versehentlich ein Medikament gegen Kater genommen haben? »Bei Olympia wird gefeiert, niemand hat auf diesem Fest ein Alkoholverbot verkündet. Wer wird denn den Aufklebezettel eines Arzneimittels, das am nächsten Morgen helfen muss, genauer lesen?!«, hieß es im Pjerwy Kanal. Und natürlich könne das geruchs- und geschmacksfreie Meldonium einem Athleten ohne Probleme untergejubelt werden, beispielsweise im Essen.

Tiefe Genugtuung hatte die gekränkte russische Sportnation immerhin aus Goldmedaillengewinnen im Eishockey und im Eiskunstlauf der Frauen ziehen können. Dass die Kufencracks der »Sbornaja« dann auch noch verbotenerweise die Nationalhymne anstimmten, die an Olympiastätten eigentlich verboten war, verhalf den Finalbezwingern der deutschen Eishockeymannschaft noch zu besonderem Ruhm. Sowohl Präsident Putin als auch Ministerpräsident Dmitri Medwedew hatten sich umgehend bei der russischen Mannschaft für Gold bedankt.

In Deutschland und in vielen westlichen Ländern wurde die Entscheidung des IOC hart kritisiert. »Wir haben Dopingfälle innerhalb der russischen Mannschaft gehabt«, sagte Dagmar Freitag, Vorsitzende des Sportausschusses im Bundestag, am Mittwoch gegenüber dem Sportinformationsdienst SID. »Die werden als Einzelfälle abgetan. Aber entscheidend ist doch, dass sich Russland niemals dazu bekannt hat, was vor Sotschi und in Sotschi passiert ist.«

Gerade einmal 85 Tage dauerte die Sperre, die das IOC gegen Russland verhängt hatte, nachdem die Welt-Antidopingagentur WADA in den zwei McLaren-Berichten nachweisen konnte, wie systematisch in Russland vor und und während der Olympischen Winterspiele von Sotschi 2014 gedopt wurde.

Die Vereinigung der führenden Nationalen Anti-Doping-Agenturen (iNado) hatte bereits vor dem IOC-Entscheid in einer ungewohnt scharf formulierten Stellungnahme erklärt, was sie von der Aufhebung der Suspendierung hält: »Die enttäuschende Tatsache, dass dies ein weiterer kurzlebiger ausgehandelter Deal ist, der in den nächsten Tagen schnell wieder aufgehoben wird, zeigt, dass der Umgang des IOC mit diesem Thema sich von schlecht zu noch schlechter entwickelt hat.«

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