Sicher für zwei Jahre

Bombardier erhält alle Standorte in Deutschland, baut jedoch bis zu 2200 Stellen ab

Ursprünglich stand die Schließung ganzer Standorte im Raum. Gemessen daran ist die nun gemachte Zusage von Bombardier eine gute Nachricht: Der kanadische Schienenfahrzeughersteller will alle Standorte in Deutschland erhalten und betriebsbedingte Kündigungen bis Ende 2019 ausschließen. Zwei Jahre lang mussten Betriebsräte, Beschäftigte und Gewerkschaft dafür kämpfen. Harte Verhandlungen liegen hinter ihnen. Für viele Beschäftigte bedeutet die Zukunft ihres Werks dennoch das Aus: Bis zu 2200 der 8500 Arbeitsplätze in Deutschland sollen innerhalb der nächsten zwei Jahre wegfallen. Ein Drittel davon sind Leiharbeiter. Am stärksten vom Umbau betroffen sind die Standorte Hennigsdorf bei Berlin und Görlitz in Sachsen.

Am Mittwoch wurde der Bombardier-Aufsichtsrat in Berlin über den vereinbarten Sozialplan und die Konditionen für freiwillige Vertragsauflösungen informiert. Deutschland-Chef Michael Fohrer will nun mit dem Umbau beginnen. Bombardier schreibe das siebte Jahr rote Zahlen. Höhere Produktstandardisierung, Spezialisierung und Investitionen in die Digitalisierung sollen das Unternehmen »fit für die Zukunft« machen. Vor allem die drei ostdeutschen Standorte, die bislang vollständige Bahnen vom Rohbau bis zum Endprodukt produzieren, werden dabei neu ausgerichtet.

Das Traditionswerk in Hennigsdorf verliert dadurch einen Großteil seiner Produktionskapazitäten und wird künftig im Kern nur noch die Forschung und Entwicklung für Vollbahnen, Metros und Straßenbahnen des Gesamtkonzerns leisten. Zudem soll der Servicebereich ausgebaut werden. Solche Jobs lassen sich vergleichsweise leicht verlagern. Ein Teil der Fertigung bleibt aber auch hier erhalten, unter anderem, um den »1. Zug« bauen und testen zu können.

In Serie gebaut werden die Modelle allerdings nicht bei Berlin, sondern im sächsischen Bautzen, wo die Großfertigung für Vollbahnen, Metros und Straßenbahnen konzentriert wird. 30 Millionen Euro will Bombardier hier in die Digitalisierung und neue Fertigungsverfahren stecken.

In das Werk in Görlitz, das zwischenzeitlich besonders auf der Kippe stand, will Bombardier acht Millionen Euro investieren. Es soll sich auf den Wagenkastenbau in Aluminium und Stahl spezialisieren und bekommt dafür die Straßenbahnkästen, die bislang in Bautzen gefertigt werden, hinzu. Weniger gravierende Veränderungen stehen in den drei westdeutschen Standorten bevor: Mannheim ist zuständig für Forschung und Entwicklung von Lokomotiven, Kassel baut die Loks, Siegen Drehgestelle.

Wie viele Arbeitsplätze an jedem Standort wegfallen, wollten weder die Arbeitnehmer-, noch die Arbeitgeberseite an diesem Tag beziffern. Nach den Osterferien wollen Manager die Beschäftigten vor Ort über die bevorstehenden Änderungen informieren. Bezogen auf die vereinbarten Stundenvolumen erklärte der neue Gesamtbetriebsratschef Volkmar Pohl jedoch, dass sich in seinem Werk die Stundenvolumen pro Jahr halbieren. Zunächst werde wohl die Leiharbeit »gegen Null gefahren«. Bislang arbeiten hier 2300 Menschen. In Görlitz sind für die Zukunft mindestens 900 000 Arbeitsstunden pro Jahr vereinbart, derzeit sind es 1,4 Millionen.

Über die finanzielle Ausgestaltung des Freiwilligenprogramms wurde Stillschweigen vereinbart. Es soll beispielsweise älteren Beschäftigten Anreize bieten, früher in die Rente zu gehen. Geplant ist auch eine Transfergesellschaft, die Beschäftigte in andere Betriebe vermitteln könnte. Es sei ein »lukratives Angebot«, sagte der Bautzener Betriebsrat und stellvertretende Aufsichtsratsvorsitzende Gerd Kaczmarek. Ein Teil der Beschäftigten soll qualifiziert und umgeschult werden. Andere könnten durch einen Wechsel in einen anderen Standort ihre Arbeit behalten.

Ein halbes Jahr vor Auslaufen der Vereinbarungen muss Bombardier erneut mit den Angestelltenvertretern in Deutschland Gespräche aufnehmen, wie es nach 2019 weitergehen soll. Theoretisch sind ab dann betriebsbedingte Kündigungen möglich. Für diesen Fall würde der vereinbarte Sozialplan greifen. Die IG Metall, die eigentlich längere Garantien erreichen wollte, ist aber überzeugt, dass die Standorte eine Perspektive »deutlich über 2020 hinaus« haben. Bezirksleiter Olivier Höbel betonte, dass die vereinbarten Stundenvolumina lediglich Kennziffern für die Mindestauslastung seien. Bislang hätten alle Standorte mehr zu tun.

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