Tanzen am Rand des Abgrunds

An Rhein und Ruhr haben Friedensaktivisten ihren Protest gegen das Wettrüsten erneuert und mehr Krisenprävention gefordert

  • Sebastian Weiermann
  • Lesedauer: 4 Min.

Auch schlechtes Wetter kann die Ostermarschierer und Radler nicht aufhalten. Als sich am Sonntagmittag die Teilnehmer des Ostermarsches in Essen auf den Weg machen, schüttet es wie aus Eimern. Doch das kann die gute Stimmung nicht trüben. Die Fahrradetappe von Essen über Gelsenkirchen, Wattenscheid und Herne verbindet in jedem Jahr die verschiedenen Städte im Ruhrgebiet. Die Städte hier liegen zwar eng beieinander, trotzdem betätigen sich viele Initiativen im Alltag vor allem im lokalen Rahmen. Beim Ostermarsch ist das anders. Hier geht es um die großen Themen. Christian Leye, Landessprecher der Linkspartei in Nordrhein-Westfalen, ist der Meinung, dass man am aktuellen Krieg in Afrin besonders gut sehen könne, wie dringend ein konsequenter Einsatz für eine Friedenspolitik ist. »Die Türkei walzt mit deutschen Leopard-Panzern in Afrin die Gegnerinnen und Gegner des IS nieder, während islamistische Mörderbanden an der Seite des NATO-Staates die Stadt verwüsten. Hunderttausende Menschen wurde aus der relativ sicheren Region in die Flucht gezwungen. Die deutsche Bundesregierung hat zu dem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg geschwiegen und noch während der laufenden Offensive Waffen verkauft«, sagt Leye.

Hauptthema der Ostermärsche war die Vorgabe der NATO, dass die Mitgliedsstaaten zwei Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts für die Rüstung ausgeben sollen. Für die Bundesrepublik seien das 30 Milliarden Euro, die im zivilen Bereich fehlten, hieß es.

Für die Lösung von internationalen Konflikten fordern die Ostermarschierer mehr Mittel für die Konfliktprävention; diese müsse »Hauptziel der Außen- und Entwicklungspolitik« sein, da Militär keine Probleme löse. So steht es auch im Aufruf zum Ostermarsch im Ruhrgebiet. Joachim Schramm von der Deutschen Friedensgesellschaft - Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK) erinnerte im Vorfeld der Ostermärsche an die Münchner Sicherheitskonferenz. Deren Leiter Wolfgang Ischinger habe genauso wie Ex-Außenminister Sigmar Gabriel davor gewarnt, dass die Welt am Abgrund stehe. Das sieht auch Schramm so. Er spricht von einem drohenden Wettrüsten zwischen den USA und Russland und einer undurchsichtigen internationalen Lage, in der man anders als zu den Zeiten der Blockkonfrontation nicht wisse, wer wofür stehe. Joachim Schramm kritisiert, dass Menschen wie Gabriel zwar bewusst sei, dass man am Abgrund stehe, daraus aber keine »Konsequenzen« erwachsen würden. »Man tanzt fröhlich am Rande des Abgrundes«, so der Friedensaktivist.

Wenn man sich die globale Militärlogistik anschauen will, dann muss man nicht allzu weit weg. In Bochum sprach der DGB-Vorsitzende aus Dülmen, Ortwin Bickhove-Swiderski. Er erzählte von den - einer größeren Öffentlichkeit bislang unbekannten - Protesten gegen ein Lager der US-Armee. In einer ehemaligen britischen Kaserne haben die amerikanischen Streitkräfte ein Depot angelegt. Panzerfahrzeuge, Raketenwerfer und Haubitzen lagern nun mitten im Münsterland. Seit der Einweihung des Depots vor fast einem Jahr protestieren Initiativen gegen diese »Kriegslogistik«. Am Ostersonntag blockierten sie das Tor zum Militärdepot symbolisch.

Zum Ende des Osterwochenendes wurde auch das kleine Eifelstädtchen Büchel noch einmal Ziel der Friedensbewegung. Am Montag versammelte sich dort Protest gegen amerikanische Atomwaffen. Der Fliegerhorst in Büchel gilt als einziger Stützpunkt von Atomwaffen in Deutschland. Sie sollen ab dem kommenden Jahr erneuert werden. In Büchel forderten die Friedensfreunde die Bundesrepublik auf, dem Atomwaffenverbotsvertrag der Vereinten Nationen beizutreten und für einen Abzug der Bomben aus der Eifel zu sorgen.

Beim traditionellen Ostermarsch »Rhein-Ruhr« protestierten in diesem Jahr nach Veranstalterangaben insgesamt 700 Kriegsgegner. Mehrere tausend Menschen waren es am Wochenende bei den bundesweiten Ostermärschen. Das zentrale Ostermarschbüro in Frankfurt am Main sprach von einer »regen Beteiligung«: »Dass die Friedensbewegung die Meinung der Mehrheit der Bevölkerung gegen Krieg und Militarismus widerspiegelt, wird bei den Aktionen in allen Teilen des Landes sichtbar«, sagte der Sprecher der Infostelle, Willi van Ooyen.

Insgesamt gab es nach Angaben des Netzwerks Friedenskooperative rund 100 Märsche, Kundgebungen, Mahnwachen und Fahrradkorsos. In Berlin versammelten sich rund 2000, in Bremen knapp tausend Demonstranten. Anderswo, so am Montag im Eichsfeld bei Göttingen, gingen nur einige Dutzend Aktive auf die Straße. In Bonn kamen bei strömendem Regen 500 Menschen zusammen.

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