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Söder baut die Parallelgesellschaft

Robert D. Meyer warnt vor den Plänen des bayerischen Ministerpräsidenten, Flüchtlingskinder separat zu unterrichten

  • Robert D. Meyer
  • Lesedauer: 3 Min.

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder steckt im Landtagswahlkampf. Erstmals soll er im Herbst für die CSU die absolute Mehrheit im Freistaat verteidigen. Und weil für ihn noch immer die einst von Franz Josef Strauß auferlegte Maßgabe zählt, dass es rechts neben den Christsozialen keine Partei geben dürfe, genau dies aber mit dem Einzug der AfD in den Landtag droht, setzt Söder auf eine altbekannte fatale Strategie: den eigenen Rechtsruck. Und wer eignet sich im Wahlkampf nicht besser als Sündenbock als eine Gruppe, die kein Stimmrecht bei der Wahl besitzt?

Die Zuwanderung von Geflüchteten in den vergangenen Jahren habe »große Sprachprobleme in die Schulen« gebracht, verlautbarte Söder im Interview mit der »Bild am Sonntag«. Sein Vorschlag? Bayerns Ministerpräsident denkt nicht daran, die Klassenstärken spürbar zu reduzieren, Lehrer in Deutsch als Fremdsprache (DaF) konsequent nachzuqualifizieren oder ihnen in diesem Bereich ausgebildete Fachkräfte beiseite zu stellen. Nein, Söder setzt nicht auf die Inklusion von Kindern aus Flüchtlingsfamilien und mit Migrationsgeschichte. Er will sie künftig in »Deutschklassen« unterrichten und »gleichzeitig auch Wertekunde« vermitteln.

Am konservativen Stammtisch und in Teilen des Bildungsbürgertums dürfte ihm der Applaus sicher sein. Inklusion gilt in diesen Kreisen als vermeintliches (aber wissenschaftlich nicht belegtes) Hemmnis für die schulisch Leistungsstarken, die zu viel Rücksicht auf Schwächere nehmen müssten und damit in ihrem eigenen Bildungserfolg behindert würden. Und weil die Eltern von Maximilian und Anna-Lena im Herbst CSU wählen sollen, hat Söder ein Werkzeug zur Hand, das der Tradition des bayerischen Bildungssystems entspricht: Separation.

Solche eine Methode ist keine Erfindung, die dem Hirn eines bayerischen Traditionalisten entsprungen wäre. Die alte Bundesrepublik kennt solche »Deutschklassen«, nur hießen diese vor 60 Jahren »Ausländerklassen« und entstanden im Rahmen des Anwerbeabkommens mit Staaten wie Griechenland, Italien und der Türkei. Schon 1975 kritisierte die Bildungswissenschaftlerin Ingeborg Willke, dass dieser Form der Beschulung »jegliche allgemein akzeptierte Zielvorstellungen für den Unterricht« fehle. Fatal ist: Bis heute hat sich daran nicht wirklich etwas geändert.

Als Folge des Föderalismus im deutschen Bildungssystem gehen die Länder unterschiedlich mit der Beschulung von Flüchtlingskindern um. Während etwa in Rheinland-Pfalz minderjährige Geflüchtete ganz normal in Regelklassen unterrichtet werden und zusätzlich Deutsch-Intensivkurse belegen, setzt Berlin auf »Willkommensklassen«, die eine ähnliche Problematik aufweisen wie Söders geplante »Deutschklassen«. Bis auf das Lernziel, den Kindern möglichst schnell die deutsche Sprache zu vermitteln, gibt es kaum Vorgaben, welche Inhalte Teil des Unterrichtes sind. Weitere Fächer wie Mathe oder Geografie? Liegen im Ermessen der Schule und sind auch vom individuellen Engagement der Lehrer abhängig, genauso wie die Entscheidung, wann für ein Kind der Übergang in eine Regelklasse erfolgt. Klingt chaotisch? Ist es auch. 2016 kam dann auch eine Studie des Berliner Institutes für empirische Integrations- und Migrationsforschung zu dem Schluss, dass »Willkommensklassen« zu kurz gedacht sind und »zu viele Nachteile« haben.

Der Offensichtlichste konterkariert gar das Ziel des schnellen Erwerbs der deutschen Sprache. In der Forschung herrscht Einigkeit, dass der Lernerfolg schneller eintritt, wenn der Erlernende die Fremdsprache vielfältig und oft anwendet. Vereinfacht gesagt: Junge Geflüchtete müssen permanent Situationen erleben, in denen sie mit Deutsch sprechenden Kindern kommunizieren, noch dazu in einer abwechslungsreichen Weise. Die Schule ist als Ort solch eines Spracherwerbs auch deshalb notwendig, da im weiteren Alltag oft Anreize fehlen, Deutsch zu sprechen, etwa weil die Eltern selbst die neue Sprache (noch) nicht beherrschen und auf Kurswarteliste versauern. Am Ende profitieren auch Kinder mit Deutsch als Muttersprache vom gemeinsamen Unterricht, geht es doch auch um den Erwerb interkultureller Kompetenzen. Dafür braucht es angepasste Lehrpläne, im Thema Inklusion geschulte Pädagogen, konkrete Zielvorgaben - sprich: letztlich auch ein anderes Bildungsverständnis. Das ist aufwendig, kostet Geld, lohnt sich aber, um Fehler der Vergangenheit nicht zu wiederholen.

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