• Kultur
  • G20-Proteste am Theater

Wer sind denn die Guten?

»Vier Tage im Juli - Blackbox G20« untersucht am Deutschen Theater den Gipfel in Hamburg

  • Lucía Tirado
  • Lesedauer: 3 Min.

Immer wieder tanzen. Wenn junge Menschen sich aus welchem Grund auch immer treffen, bricht sich das Motiv Lebensfreude Bahn. Tanzdemo? Warum nicht. Es gab sie bei den Protesten zu G20 in Hamburg 2017. Das Theaterprojekt »Vier Tage im Juli - Blackbox G20« im Deutschen Theater vergaß das nicht.

Die Schauspieler Katharina Schenk, Elias Arens und Caner Sunar zogen von der Spree an die Elbe los, um die Geschehnisse um Gipfeltreffen und Protest unter künstlerischem Aspekt zu beobachten. Ausgerüstet waren sie so ziemlich deutsch mit einem Brief vom Deutschen Theater, der ihr Auftauchen im Gewühl für legitim erklären sollte. Ein ziemlich überflüssiges Papier, wie sich im Lauf der Dinge herausstellte, als es drunter und drüber ging. Wesentlicher ist, dass sie vom Boden der Tatsachen etliches aufsammeln konnten. Nun ist es ein Projekt, das unter Regie von Gernot Grünewald auf ihre Art davon berichtet.

»Haut ab!« ist der große Ruf, der ihr Spiel begleitet und sie alsbald im Protestgeschehen mit Ressentiments des Staates gegen Demonstranten vertraut machte: Wer seinen Unwillen bekundend Prügel verdiene, der soll sie spüren. Die Schauspieler demonstrieren in ihrem Stück verbotene passive Bewaffnung, die das verhindern könnte. Komisch. Ein aufblasbares Krokodil als Schild beispielsweise oder ein Regenschirm.

Hier erhebt sich das Stück spottend, wobei es von einer Komödie weit entfernt ist. Auch wenn, nebenbei gesagt, ein massenhaftes Kaputtlachen der Politikerriege sicher in Hamburg auch seine Wirkung nicht verfehlt hätte. Lachen ist durchaus von den Mächtigen gefürchtet, kann ihnen gefährlich werden.

»Vier Tage im Juli - Blackbox G20« geht in 90 Minuten dokumentarisch vor, versammelt Meinungen, spiegelt Positionen wider, wirft Fragen zu Demokratie, Anarchie und Verantwortung auf. Von Ablehnung dieses Treffens ist die Rede, weil von den »20« ständig Gewalt ausgehe. Demgegenüber die These, es sei gut, dass die »20« wenigstens mal an einen Tisch säßen, um gerade nichts Schlimmeres auf den Weg zu bringen.

Auch die Betrachtungsweise eines Unterhändlers kommt zur Sprache, der aus seiner Position heraus fest daran glaubt, an seinem Platz eine friedvolle Alternative gefunden zu haben. So richtig glücklich ist er damit jedoch nicht. Aber was kann man tun? Das steht als große Frage und für die Gedankenexperimente der Schauspieler bis zum Ende des Theaterabends. Machtlosigkeit erobert Raum, Hilflosigkeit macht sich indes nicht breit. Eher das Suchen nach demokratisch wirksamen Handlungsmöglichkeiten. Wem schließt man sich an? Wer sind denn die Guten? »Der Staat ist heute jedermann, und jedermann kümmert sich um niemanden« (Honoré de Balzac) kann ja die Antwort nicht sein.

Worte ergänzen das Geschehen mit Körperlichkeit bei der Musik von Daniel Spier, wenn Bühnenbild und Kostümierung (Michael Köpke) jeweilige Machtpositionen unterstreichen und klug eingesetzte Videos (Isabel Robson) Parallelen aufbauen. Angst kommt zur Sprache. Gewalt wird zelebriert. Die Akteure scheuen sich nicht, für die Barrikadenarchitektur des »Schwarzen Blocks« Zuschauern in der Blackbox den Hocker unter dem Hintern wegzuziehen. Den gibt es später mit Dankeschön zurück.

Das Ensemble erhebt nicht den Anspruch, mit seiner Arbeit die Welt zu verändern. Von großem Theater kann man auch nicht reden. Aber was ist schon großes Theater?

Sich engagiert zu positionieren, das wiegt doch schwer. Und mit Differenziertheit weiß die Truppe gut umzugehen.Geradezu rührend karikiert sie die Ahnungslosigkeit begeisterter, friedvoller Protestaktivisten in einem Camp am Rande von Hamburg. Beim Polizeisprecher ist das etwas anderes. Der zählt sich akustisch zu den Guten.

Nächste Vorstellungen: 25., 26. Mai; 8., 15. Juni

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