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  • Übergangskabinett in Italien

Mattarella beruft Technische Regierung

Nach dem Scheitern der Regierungsbildung in Italien wird der Weg frei für ein Übergangskabinett

  • Wolf H. Wagner, Florenz
  • Lesedauer: 2 Min.

Es war das erwartete Scheitern der Koalitionsverhandlungen. Nachdem die Partner Fünf-Sterne-Bewegung (M5S) und Lega nicht von dem Vorschlag ablassen wollten, den umstrittenen Euro-feindlichen Ökonomen Paolo Savona zum neuen Wirtschaftsminister ernennen zu lassen, konnte Präsident Sergio Mattarella nicht anders reagieren, als das präsentierte Kabinett zurückzuweisen. Giuseppe Conte gab daraufhin den Auftrag zur Regierungsbildung zurück und machte den Weg für neue Entscheidungen des Präsidenten frei.

Dessen Wahl fiel nun auf den Wirtschaftsprofessor Carlo Cottarelli, der am Montag den Auftrag zur Bildung einer Technischen Regierung annahm.

Der Wirtschaftsprofessor ist in der italienischen Politik kein Unbekannter. Er war unter Mario Monti für die Ausarbeitung des strikten Sparprogramms »Spending review« zuständig. Bei seinen einführenden Worten erklärte er, auch mit der nun aufzustellenden Regierung ein solides Haushaltsprogramm für 2019 aufstellen zu wollen. Voraussetzung dafür sei natürlich, er erhalte das Vertrauen beider Parlamentskammern. Andernfalls, so räumte Cottarelli ein, werde man nach der Sommerpause zu Neuwahlen schreiten müssen.

Seitens der EU scheint Erleichterung aufzukommen. Außenbeauftragte Federica Mogherini erklärte die Union habe »volles Vetrauen in Präsident Mattarella und die italienischen Institutionen«. Die Mailänder Börse reagiert seit Tagen sensibel auf die Versuche der Fünf-Sterne-Bewegung und der Lega, eine Regierung zu zimmern. Die euroskeptischen Äußerungen beider Bewegungen haben nicht dazu beigetragen, den Finanzmarkt Italien zu beruhigen. Auch am Montag sah sich Mailand wiederholt im Negativen. Sollte es Cottarelli gelingen, eine stabilisierende Mannschaft aufzustellen, dürfte dies sich auch beruhigend auf die Wirtschaft auswirken.

Luigi Di Maio, Spitzenkandidat des M5S, kündigte derweil eine Verfassungsklage gegen den Präsidenten wegen Missachtung der Grundgesetze an. Lega-Chef Matteo Salvini plant bereits Massenproteste gegen den Präsidenten: Entweder gebe es Neuwahlen, oder »wir marschieren nach Rom«, so Salvini. Unterstützt wird er dabei von Europas Rechtsaußen Marine Le Pen (Front National) und Nigel Farage (Ukip), die von einem »Staatsstreich« gegen die gewählte Regierung sprachen.

Nebst viel Unterstützung wurden in den sozialen Medien auch Morddrohungen gegen den Präsidenten ausgestoßen. Er werde enden wie sein Bruder, hieß es in den Drohungen. Piersanti Mattarella war am 6. Januar 1980 von einem Mafioso erschossen worden, der damalige Gouverneur Siziliens hatte sich vehement gegen die Cosa Nostra gestellt.

Der heutige Staatspräsident achtete stets die Zivilcourage seines sechs Jahre älteren Bruders, es ist kaum anzunehmen, dass Sergio Mattarella sich dem Druck der Populisten beugen wird.

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