Chemnitzer »Eiffelturm« gerettet

Eisenbahnbundesamt verpflichtet Deutsche Bahn zum Erhalt eines einzigartigen Viadukts

  • Hendrik Lasch, Chemnitz
  • Lesedauer: 3 Min.

Es hat viele poetische Vergleiche gegeben für das stählerne Viadukt, auf dem die Bahntrasse von Dresden nach Hof in Chemnitz über den gleichnamigen Fluss geführt wird: Als eine Art »liegender Eiffelturm« wurde das 275 Meter lange Stahlbauwerk gepriesen und als »letzter Schatz«, den die Industriestadt aus ihrer Blütezeit im 19. Jahrhundert als das »sächsische Manchester« gerettet hat. Jetzt steht fest: Der Schatz bleibt erhalten. Die Pläne der Deutschen Bahn AG, die genietete Bahnbrücke durch einen Neubau aus Beton zu ersetzen, sind vom Tisch. Das Eisenbahnbundesamt (EBA) lehnt dies im Planfeststellungsbeschluss für die Ertüchtigung des sogenannten Chemnitzer Bahnbogens ab - »aus denkmalschutzrechtlichen Gründen«. Bis spätestens 2019 hat die Bahn nun Zeit, eine geänderte Planung zu erarbeiten und von der Bundesbehörde genehmigen lassen.

Dabei war der Abriss der Brücke eigentlich schon beschlossene Sache. 2003 hatte die Stadt Chemnitz dem Vorhaben der Bahn zugestimmt. Diese plante damals die Ertüchtigung der 288 Kilometer langen Sachsen-Franken-Magistrale, die vom fränkischen Hof nach Dresden und Leipzig führt. Sie umfasst auch 405 Brücken, die künftig mit bis zu 160 Stundenkilometern befahren werden sollen. Ein Teil des Bauvorhabens war schon fertig, dann aber ging das Geld aus.

Als die Planungen fortgesetzt wurden, hatte sich in Chemnitz freilich der Wind gedreht. Auf der Suche nach Identität besannen sich viele Bürger auf die Zeugnisse der Industriekultur aus dem 19. Jahrhundert. Eine wichtige Rolle bei diesem Sinneswandel spielte der Verein »Viadukt e.V.«, der sich dem Erhalt der großen und etlicher weiterer Brücken im Bahnbogen verschrieb. Diese Bürgerinitiative habe »unerschrocken um das Denkmal gekämpft und die Stadtverwaltung zu einem Umdenken und zum Mitkämpfen animiert«, lobte Oberbürgermeisterin Barbara Ludwig (SPD) jetzt.

Viele Argumente des Vereins fanden Eingang in Stellungnahmen, die das EBA für seine Entscheidung heranzog. Die Landesdirektion Sachsen etwa bescheinigte der 1902 bis 1908 erbauten Brücke einen »Symbolwert« als meisterhaftes Ingenieurbauwerk, das »technische Genialität und elegante Schönheit« verbinde. Es sei zudem »echt und nahezu komplett erhalten«. Das Landesamt für Denkmalpflege nannte das Viadukt ein herausragendes technisches Denkmal »mit nationaler Bedeutung«. Die Behörde warf der DB vor, diese Aspekte vernachlässigt und allein aufgrund »betriebstechnischer und ökonomischer Ziele« entschieden zu haben.

Das zeigte sich nicht zuletzt bei den Kostenschätzungen, die »tendenziös« gewesen seien, wie das Denkmalamt formulierte. Die Bahn ging von 12,3 Millionen für einen Neubau und 20,2 Millionen für die Sanierung aus. Kritiker warfen ihr vor, die erste Variante schön- und den Erhalt der alten Brücke schlechtzurechnen. Inzwischen geht man für beide Varianten von 16 bis 17 Millionen Euro aus.

Dass die Brücke nun erhalten wird, sorgte für Freude bis in die Landespolitik hinein; Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) wie Verkehrsminister Martin Dulig (SPD) lobten den Beschluss. Der »Viadukt e.V.« äußerte sich erleichtert, dass das EBA den »wesentlichen Argumenten der Bürgerbewegung gegen den Abriss gefolgt« sei. Als »bittere Pille« sieht man indes, dass weitere historische Bauwerke nicht gerettet werden konnten, darunter zwei Bahnbrücken über die Augustusburger und die Reichenhainer Straße sowie Teile des Südbahnhofs. Zudem merkt der Verein an, dass die Arbeit »noch lange nicht vorbei« sei. Jetzt gehe es darum, die denkmalgerechte Sanierung zu begleiten.

Die DB will dazu nun einen Fachbeirat einsetzen, erklärte Lutz Buchmann, der Gesamtprojektleiter für die Sachsen-Franken-Magistrale. Darin sollen neben Experten für Ingenieurbau und für Denkmalschutz auch die Stadt und Verbände vertreten sein. Zudem soll es Bürgerdialoge geben. Die Bahn gibt an, den Bahnbogen von 2019 bis 2023 sanieren zu wollen.

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